14. Januar 1967: Jetzt werden die Steckzwiebeln geklaubt
14.1.2017, 08:37 UhrDie Straßen sind menschenleer, die Hofeinfahrten verschlossen. Aus den Kaminen auf verschneiten Dächern steigt Rauch empor und kündet von molliger Wärme in Küchen und Stuben. Ja, die Bauern haben‘s schön! So denkt vielleicht der eine oder andere, dem die ungewohnte Stille auf dem Lande auffällt. Bauer müsste man sein, dann hätte man Urlaub von November bis zum März.
"Stimmt, viele Bauern, vor allem die jüngeren, waren über die Feiertage im Urlaub", bestätigte uns Direktor Heinrich Ermann vom Bayerischen Bauernverband, als wir ihn fragten, was es um diese Jahreszeit in der Landwirtschaft zu arbeiten gibt. Und dann lud er uns ein zu einer Rundfahrt durch die "Dörfer", damit wir uns an Ort und Stelle selbst die Antwort auf unsere Frage holen konnten.
In Nürnberg gibt es zur Zeit rund 450 landwirtschaftliche Betriebe, die eine Fläche von 2600 Hektar bebauen. Die allermeisten werden nur von Familienmitgliedern bewirtschaftet. Während man im Süden der Stadt, in Krottenbach, Ackerbau und Viehzucht betreibt, hat sich der Norden auf Gemüsekulturen im Knoblauchsland spezialisiert. Durch den bevorstehenden Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals hat die Landwirtschaft im Westen von Nürnberg, im Gebiet Höfen-Kleinreuth bei Schweinau, an Bedeutung verloren. Viel Ackerland ist dort bereits verkauft.
Wenn die Natur im Winter neue Kräfte sammelt, dann soll auch der, der sie bebaut und im Sommer von früh bis spät schuftet, etwas kurztreten und ausruhen. Kein Beruf ist so mit dem zwölf Monate währenden und ewig wiederkehrenden Werden und Vergehen verbunden wie der Bauernstand. Das heißt aber nicht, dass jetzt für die Landleute die Zeit des Nichtstuns ist.
Wo Vieh im Stall steht, geht die Arbeit ohnehin nicht aus.
Lorenz Arnsberger aus Krottenbach muss 25 Kühe, Rinder und Kälber versorgen. Zweimal täglich wird gefüttert und gemolken. Der "Speiseplan" der Vierbeiner soll auch in der Zeit, in der es kein Grünfutter gibt, abwechslungsreich sein. Deshalb gibt es vergorene Rübenblätter aus dem Silo, Häcksel und Rübenschnitze. Die Futterbereitung dauert länger als im Sommer, zum Glück haben die Bauern jetzt diese Zeit. Lorenz Arnsberger, der Holz spaltete, als wir in seinen Hof kamen, hat in den letzten Wochen seinen Wald durchforstet. Als Bauer mit Waldbesitz war er "Förster im eigenen Revier".
Gemeinsames Nähen
Zu den Frauen in Krottenbach hatte der Bayerische Bauernverband in dieser Woche eine Schneiderin geschickt, die Anleitungen für das Zuschneiden und Nähen gab. Von Montag bis Freitag saßen die Bäuerinnen jeweils von 9 bis 12 und von 13 bis 17 Uhr in der guten Stube eines Hofes, die für diesen Kurs ausgeräumt worden war. Und weil es so schön war und man so viel lernen konnte, setzten sich die Frauen in den Abendstunden noch einmal zum Nähen zusammen. "Im nächsten Jahr machen wir wieder so einen Kurs", verkünden sie schon heute.
Die Wetzendorfer und die Almoshofer Bauern konnte man in den letzten Tagen in den Wäldern des Forstbezirks Behringersdorf antreffen. Sie sägten dort das Holz zurecht, das ihnen seit Jahrhunderten in jedem Winter zusteht. Diese Holzrechte sind im Grundbuch auf die jeweiligen Höfe eingetragen. Sie verbriefen einen Anspruch auf eine bestimmte Menge von Nadel-, Scheit- und Prügelbrennholz, das selbst aufbereitet und abgefahren werden muss.
Als Gegenleistung müssen die "Rechtler" allerdings eine ebenso genau festgelegte Zahl von Stunden Hand- und Spanndienste im Wald leisten. Oberforstmeister Edmund Renner vom Forstamt Behringersdorf hat den Wetzendorfern und Almoshöfern in diesem Jahr eine besonders gute Pfründe zugeteilt: sie dürfen auf einem Platz ihr Holz zurechtmachen, der kahlgeschlagen wurde, weil hier eine Sandgrube angelegt wird.
Die Wetzendorfer rückten nach altem Brauch geschlossen an und schafften in drei Tagen über 60 Ster Brennholz. Manche Bauern, die neu gebaut oder ihre Heizung auf Öl umgestellt haben, fragen sich: wohin mit den Scheiten? Wenn sie Abnehmer finden, können sie das Holz verkaufen. Sie können aber auch beim Notar ihr Recht ablösen lassen. Dann gibt es eine einmalige finanzielle Entschädigung, die dem Wert von 22 Jahresrechten entspricht.
Im Treibhaus war es schon warm
Die Lagerräume für Gemüse in den neuen Höfen ersetzen übrigens die Erdmieten, in denen viele Bauern noch ihren Wintervorrat aufbewahren. Der Vorteil der künstlichen Mieten: das Gemüse bleibt trockener und ist jederzeit griffbereit. Erdmieten können bei strengem Frost nicht geöffnet werden. Daher wird das Angebot an manchen Wintertagen auf dem Markt knapp. Wer trotzdem liefern kann, kassiert gestiegene Preise.
Bei Georg Walter in Kleinreuth h. V. war es schon warm im Treibhaus. Hier wurden bereits Radieschen gesät und Salat und Kohlrabi pikiert. Die meisten Bauern im Knoblauchsland fangen erst in der kommenden Woche mit der Treibhausarbeit an.
Dünger vom Schlachthof
Georg Walter meinte, er habe in diesem Jahr noch keine Stunde Winter gehabt. Der Gemüseabsatz sei im Herbst nicht so flott gewesen wie sonst. Deshalb läge noch viel Ware da, die geputzt und gerichtet werden müsse. Gleichzeitig beginnen aber schon wieder die neuen Pflanzarbeiten. "Es geht in diesem Jahr ohne Pause weiter", so Georg Walter.
"Die Männer sind beim Mistfahren", hieß es auf einem anderen Aussiedlerhof in Höfles. Seit die Gemüsebauern kein Vieh mehr halten, wird die Versorgung der Böden mit natürlichem Dünger zum Problem. Zur Humusbildung ist Mist unerlässlich. Deshalb karren die Bauern im Winter den Dünger vom Schlachthof in der Stadt hinaus aufs Land. Auch Klärschlamm ist gut für die Humusbildung. Die Bucher Landwirte holen sich diese schwarze Masse lieber in Fürth als in Nürnberg, "weil der Klärschlamm dort nichts kostet".
Die Bauernfamilie Brückner in Schniegling trafen wir beim "Steckzwiebelklauben" an. Die Zwiebel, ein Zweijahresgewächs, gedeiht in Nürnberg besonders gut. Die kleinen, aus Samen gezogenen Stecklinge, müssen jetzt sortiert werden. Sie sind nur bis zu einer bestimmten Größe als Steckzwiebeln zu verwenden. Das "Klauben" ist eine etwas eintönige, aber nicht unbeliebte Beschäftigung, bei der man sich gemütlich unterhalten kann. Die meisten Nürnberger Steckzwiebeln werden übrigens nach Niederbayern verkauft.
Der Winter ist für die Bauern schließlich die einzige Zeit des Jahres, in der sie sich mit ihren eigenen Anliegen beschäftigen können. In den nächsten Wochen werden in allen Gemeinden die Ortsobmänner des Bayerischen Bauernverbandes neu gewählt. Das Landwirtschaftsamt, der Bauernverband, der Zuchtverband laden zu Versammlungen ein.
Man erledigt Steuer-, Rechts- und Erbangelegenheiten und plant fürs kommende Jahr.
Die Jugend nützt die Zeit zum Besuch der Landwirtschaftsschule. Selbstverständlich wird im Winter auch geschlachtet, denn Schweine für den Eigenbedarf gibt es noch auf jedem Hof, schon wegen der vielen Abfälle, die man nicht wegwerfen will. Die Freude am Schlachtfest dürfte aber in absehbarer Zeit getrübt werden: es gibt kaum mehr Hausmetzger.
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