14. Juni 1968: Zwillinge im Gehege

14.6.2018, 07:00 Uhr
14. Juni 1968: Zwillinge im Gehege

© Friedl Ulrich

Wesentlich einfacher verlief bisher das junge Leben von Zwillingsrehbäckchen in Stein. Ihr Dasein wurde von Menschenhand vorbereitet.

14. Juni 1968: Zwillinge im Gehege

© Friedl Ulrich

Richard Raab aus Gebersdorf ist eigentlich Geflügelzüchter. In Stein und bald auch schon in Eibach hält er seine Hühner und Tauben, Enten und Gänse. Vor drei Jahren kaufte er sich von einem Heilsbronner Tierarzt für hundert Mark ein Kitz, das er "Susi" taufte.

Als das "Rehmädchen" zu einem stattlichen Schmaltier herangewachsen war, suchte Richard Raab einen Freier. Bei Deberndorf bei Cadolzburg lebte ein stattlicher Bock im Freigehege. Also wurde ihm "Susi" als "Braut" angeboten. Der Bock sprach an, so leidenschaftlich, daß ihm erst das Geweih beschnitten werden mußte, sonst hätte er seine Auserwählte aufgespießt.

Jedenfalls blieb das "Gspusi" nicht ohne Folgen. Freilich, "Susi" zog es vor, in ihrer schweren Stunde allein zu sein. Am Montag vor Pfingsten führte sie dann stolz ihrem Heger ihr süßes Geheimnis in Form von Zwillingen vor.

Spätestens in einem halben Jahr werden die Zwillinge, vielleicht sogar getrennt, in einem anderen Gehege leben müssen: sie haben das Pech, Böcke zu sein, "und die werden etwa mit eineinhalb Jahren zänkisch", bedauert Birgit Raab, die Frau des Geflügelzüchters.

Ein Tierfreund von besonderen Gnaden ist auch der Schulverwalter des Neuen Gymnasiums, Franz Hartmann. Seine vielen Vogelarten in Volieren beweisen es. Dazu reitet er das Steckenpferd der Jägerei: Vor zwei Jahren nahm er als Kitz "Heidi" auf, das von seiner Mama in Stich gelassen worden war, weil dieser der Menschengeruch lästig war.

Jetzt kann "Heidi" zum ersten Male Mutterstelle vertreten – an Max und Moritz. Beider Schicksale ist mit Tragödien verbunden: Maxens Mutter lief im Landkreis Schwabach in ein Auto und wurde getötet. Zum Glück merkte ein erfahrener Jagdpächter, daß das Schmaltier kurz zuvor gesetzt haben mußte. Bauernburschen wurden in Marsch gesetzt. Sie fanden unter Schwarzbeerkraut ein Kitz. Behaglich nuckelt es inzwischen im Hausverwaltungsgarten an der Milchflasche, zärtlich bewacht von der Pudeldame "Mohrle", die selbst in Hoffnung ist.

Noch schlimmer erging es Moritz: er wurde am letzten Montag von einer Mähmaschine erfaßt; einem Nürnberger Tierarzt blieb keine andere Wahl, als den linken Hinterlauf zu amputieren. Inzwischen hat sich das Kitz soweit erholt, daß es schon wieder munter im Garten herumspringt. "Bloß die Flasche mag er nicht. Gesund ist er, wie sein kaltes und feuchtes Näschen beweisen. Moritz muß in der Nacht fressen", vermutet Hartmann.

Keine Kommentare