14. Mai 1969: Täglich landen 60 Düsenclipper
14.5.2019, 07:21 Uhr„Es wird bestimmt turbulent zugehen“, befürchtet Direktor Helmut Müller-Gutermann, der schon seit Wochen an dem Schlachtplan für den „heißen Sommer“ arbeitet. Seine Sorgen auf einen Blick: vom 11. bis 31.8. müssen täglich bis zu sechzig Düsenmaschinen und insgesamt etwa 120.000 Passagiere abgefertigt werden. Zum Vergleich: das normale Verkaufsaufkommen liegt bei zwölf Flugzeugen und 40.000 Passagieren. Um den zusätzlichen Betrieb in geordnete Bahnen lenken zu können, muß der Flughafen über zwei Millionen Mark investieren.
Mit diesem Geld wird das Vorfeld um 53 Meter erweitert, so daß künftig nicht nur acht, sondern zwölf Maschinen abgestellt werden können. Außerdem wird der Ostflügel des Abfertigungsgebäudes aufgestockt, eine neue Kleinflugzeughalle gebaut und das Parkgelände neben der Flughafenstraße um 276 auf 376 Plätze erweitert. Damit können im Bereich des Flughafens 1.119 Autos untergebracht werden. „Den Betrag, den wir für diese Projekte aufwenden müssen“, so erläutert Direktor Müller-Gutermann, „bürdet uns nicht nur München auf. Die Bauten hätten wir über kurz oder lang sowieso benötigt.“
Worauf die Nürnberger ansonsten verzichten müssen, wird sich in den drei Wochen erfüllen, in denen die Piste in Riem gesperrt wird: direkte Verbindungen zu den großen europäischen und überseeischen Flughäfen. Allerdings wird nicht der gesamte Münchener Flugbetrieb nach Nürnberg verlagert, sondern einige Gesellschaften weichen nach Stuttgart aus. Auch von dem Berlin-Verkehr wird der Flughafen nichts profitieren, denn er wird vom Militärflugplatz Neubiburg abgewickelt.
„Trotzdem haben wir die Hauptlast zu tragen“, meint der Flughafendirektor. Für die Dauer des Hochbetriebs hat er nicht nur eine generelle Urlaubssperre verhängt, sondern auch hundert Fachkräfte aus München ausgeliehen. Dieser Mitarbeiterstab wird in den Gebäuden der Bereitschaftspolizei am Schmausenbuck untergebracht. Nach langwierigen Verhandlungen ist auch die Frage gelöst, wie die Passagiere aus München nach Nürnberg und die ankommenden Gäste an die Isar zurückgebracht werden: die Bundesbahn setzt Sonderzüge ein oder hängt an fahrplanmäßige Züge Kurswagen an. Für die Fahrt vom Hauptbahnhof zum Flugplatz wird ein Omnibus-Zubringerdienst eingerichtet.
Zu keinen Konzessionen ist Helmut Müller-Gutermann über den Frachtverkehr bereit. „Wir tun bestimmt, was in unseren Kräften steht. Aber das Münchener Aufkommen von etwa 1.200 Tonnen im Monat können wir nicht verdauen. Da reicht unsere Kapazität einfach nicht aus.“ Deshalb wird es sich nicht vermeiden lassen, daß die Güter mit der Bahn oder Lastwagen transportiert werden. Der Flughafendirektor: „Die Fracht muß nach Stuttgart oder Frankfurt gebracht werden.“
Während noch am Organisationsplan gefeilt wird, rattern schon seit Wochen die Baumaschinen. Die Vorfelderweiterung tritt in die Endphase, und die Arbeiten am Ostflügel des Abfertigungsgebäudes gehen zügig voran. In den zwei neuen Etagen werden die Luftfahrtgesellschaften, die Wetterwarte sowie der Flugsicherungs- und Fernmeldedienst ihre Büros einrichten.
Bis Nürnberg zur Drehscheibe im internationalen Linienverkehr wird, vergehen noch drei Monate. „Diese Zeit brauchen wird dringend“, erläutert Helmut Müller-Gutermann, „um uns auf den Sturm einzustellen“. Seine Prognose: „Wir werden das Kind schon schaukeln!“
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