15. September 1970: Verwirrung um Mini, Maxi, Midi

15.9.2020, 07:00 Uhr
15. September 1970: Verwirrung um Mini, Maxi, Midi

© Graser

Der Maxi, von der Männerwelt als „unerträglicher Schmarrn“ abgetan, hat sich dagegen den Zugang zu Modehäusern und Boutiquen geöffnet. Denn die Modediktatoren befinden, daß in der letzten Zeit genügend Bein gezeigt worden ist. Ihre Devise, daß in der Menge die Würze liege, wird freilich noch skeptisch beurteilt. Mädchen und Frauen, die knöchellang tragen, werden in Nürnberg noch immer mit kritischen Augen betrachtet.

Die neue Mode scheint wieder einmal in der Mitte zu liegen: Der Midi setzt sich wohl durch, das Kleid, das bis zur Mitte der Wade reicht. Die Modecäsaren haben es geschafft, der Textilverbrauch steigt wieder. Neben dem Midi steht der Mixi: Die Kombination zwischen knöchellangem Mantel und minikurzem Rock. Wir haben mit den maßgeblichen Leuten der großen Mode- und Kaufhäuser Nürnbergs gesprochen:

Gerhard Wöhrl, Juniorchef des gleichnamigen Modehauses: „Ich trauere dem Mini nicht nach. Mini ist Gewohnheit geworden und Mode muß nun einmal aufregend sein. Ich gebe der Maxiwelle fünf Jahre und bin gespannt, was danach kommt. Aus der Frühjahrskollektion werden die Minis ganz verschwunden sein. Wir selbst haben im Moment noch ganze fünf Miniröcke. Dazugehörige Kleidungsstücke verschleudern wir in unserem Basar. In unserem Carnaby Shop ist Midi wesentlich stärker gefragt als Maxi. 70 Prozent beträgt hier der Umsatzanteil an Midis, der Rest sind Maxikleider.“

Reinhard Matheja, Werbeleiter des Modehauses Fischer: „Der Mini ist tot. Die Grundlinie der Mode ist nicht mehr so stark an jungen Mädchen orientiert. Das Minigirl mausert sich zur jungen Dame. Als modische Hauptlinie dürfte sich mit der Zeit „Mezzo“ einpendeln, eine Handbreit unterm Knie. Midi wird grundsätzlich zu Stiefeln getragen. Interessant ist, daß gerade die ganz jungen Mädchen, die bisher Supermini gingen, jetzt ins andere Extrem springen und knöchellang tragen.“

Kaufhaus Merkur: „Hier werden im neueingerichteten Girl-Shop wesentlich mehr Maxis als Midis verkauft. An Maxiröcken und -kleidern sind in den letzten Wochen sehr viele Stücke verkauft worden und die Nachfrage steigt ständig. Besonders Jerseyröcke und Maxis in Leder haben es der jungen Generation angetan.“ Bei Merkur glaubt man, daß der Mini in diesem Winter einfrieren wird, im nächsten Sommer aber wieder aufleben dürfte.

Bodo Arendt, Modehaus-Chef: „Bei uns macht der Verkauf von Midi- und Maxikleidung 80 Prozent aus. Beide sind gleich gut im Rennen. Ganz besonders kommen bei der jungen Avantgarde „Chasubles“ an, ärmellose Westen, die oft bis zum Boden reichen. Sie werden zu Miniröcken, die übrigens bei uns noch zu haben sind, oder auch zu ganz engen Hosen getragen. Und noch ein Tip für die Damenwelt: die Modefarbe Aubergine, die sich durch unser ganzes Sortiment zieht, ist groß im Kommen.“

Modehaus Fellner: „Alles was bei uns gefragt wird geht auf die lange Welle. Zur Zeit kaufen junge Mädchen nur ganz lang, während die reiferen Damen sich grundsätzlich für Midi entscheiden. 90 Prozent unseres Umsatzes gehen auf das Konto von Midi und Maxi. Wenn die Witterung kälter wird, erwarten wir, daß Midi noch stärker gekauft wird, da es sich so gut zu Stiefeln tragen läßt. Bei uns sind vor allem Brauntöne gefragt, besonders in Mänteln. Viele Damen haben allerdings ihre modische Wahl noch nicht getroffen und weichen auf Hosenanzüge aus, die ebenfalls Verkaufsschlager sind.“

Kaufhof: Bei Mänteln liegt das Angebot ausschließlich bei Midi und Maxi. Wegen des raschen Verkaufs mußten jetzt größere Nachbestellungen gebucht werden. Für „beinbewußte“ Mädchen steht noch ein großes Sortiment von Miniröcken und -kleidern bereit. Über die Rolle der Ehemänner und Freunde beim Einkauf beklagen sich geschlossen alle Verkäuferinnen: werktags, wenn die Kundinnen allein kommen, liebäugeln sie mit Maxis und kaufen auch ein. Am Samstag sind die Herren der Schöpfung dabei und wirken sich als wahre Verkaufshemmer vor den Maxiregalen aus.

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