16. Juni 1970: Eine Show in fünf Akten

16.6.2020, 07:35 Uhr
Kleiner Plausch vor Spielbeginn. Von links: Hombergen, Drossart, Buding und Kuhnke.    

© Kammler Kleiner Plausch vor Spielbeginn. Von links: Hombergen, Drossart, Buding und Kuhnke.    

Deutschlands Davispokalteam steht im Finale der Europazone B, das vom 17. bis 19. Juli in Düsseldorf die Begegnung mit den Sowjets bringt. Ihr Halbfinale von Freitag bis Sonntag in Nürnberg gewannen Bungert, Kuhnke, Buding gegen die Belgier Hombergen und Drossart vor insgesamt 5000 Besuchern, darunter am Schlußtag auch OBM Dr. Urschlechter, glatt mit 5:0. Gestern schlug Bungert mit 2:6, 6:2, 6:0, 6:3 Drossart und Kuhnke machte abschließend die Sache mit Hombergen beim 6:2, 6:2, 6:0 noch kürzer.

Belgier-Duo zuerst unterschätzt?

Für das Doppel stand mit dem souveränen Kuhnke des Vortags und einem Buding, der doch ganzjährig "im Schlag" bleibt, ein ungefährdeter deutscher Sieg zu erwarten. Vielleicht waren deshalb etwa 300 Besucher weniger gekommen als zu den Eröffnungseinzeln. Sie haben zweieinhalb Stunden spannendstes Tennis versäumt; was nicht heißt, daß auch die spielerische Klasse der Partie alle Superlative verdient. Bei weniger Wind und Hitze als am Freitag begann Drossart – wie schon gegen gegen Kuhnke – sehr stark, Buding verlor als erster seinen Aufschlag zum 3:1, aber selbst den Verlust des ersten Satzes nahmen Laien wie Fachleute nicht recht ernst. Drossart würde – wie am Vortag – schon ruhiger werden und Hombergen hatte zunächst die gravierendsten Aufschlagsschwächen. Prompt verlor er zum 2:0 und der Satzausgleich war "engeläutet". Die Rechnung stimmte auch noch im dritten Satz, als tatsächlich Drossart schwächer servierte, zweimal sein Spiel abgeben mußte und deshalb trotz eines zweiten Verlustspiels von Buding das 7:5 gelang.

Keine Pause. Es war nur eine gute Stunde gespielt. Jetzt würde es wohl schnell gehen … Aber es wurde erst spannend. Hombergen verlor zwar nochmals seinen Aufschlag, war im Spiel inzwischen jedoch zum Zuverlässigsten des Quartetts geworden. Buding vergeigte dagegen zum 0:2 und 4:6. Fünfter Satz! Kuhnke hatte im vierten ein Spiel nach 15:40 noch gewinnen können und schaffte das zum 1:1 im fünften Satz sogar von 0:40. Bei 8:7 und 30:0 für die Belgier schlug Buding zwei Asse und gegen Drossart, der schon sein Spiel zum 3:2 nach 0:40-Rückstand gerade noch hatte retten können, gelang schließlich der Durchbruch zum 9:6 für das deutsche Duo. Kuhnke als nächster Aufschläger sorgte mit 40:0 für drei Matchbälle und nutzte den zweiten selbst mit einem cross gesetzten Vorhand-Volleyschlag zum Sieg. Jan Foldina, 1. FCN, hatte 138 Minuten am Stück "schiedsen" müssen.

Hervorragender fünfter Satz

Dieser letzte Salz brachte bei voller Konzentration aller Spieler die schönsten Ballwechsel. So "machte" das 6:5 für die Belgier Hombergen mit plötzlich harten und genauen Aufschlägen sowie Volley-Returns ganz alleine. Die 22jährige Nr. 1 der Belgier wurde aber "sauer", als im erhofften Siegspiel zuerst ein geschnittener Volley-Return des Aufschlägers Buding noch ins Feld tropfte, den der Belgier absichtlich hatte passieren lassen, und dann der schwächere deutsche Aufschläger nicht nur einen belgischen Matchball abwehrte, sondern auch noch selbst den deutschen Spielpunkt erzwang.

Zweimal ließen die Gäste stöhnend ihre Schläger fallen. Die Wende deutete sich an. Aber diese Wende zum Doch-noch-Erfolg kam für die Geschmäcker der Experten reichlich spät. Gegen die Russen im Europafinale darf man sich auf solche späte Zufälle nicht verlassen. Die Belgier waren in diesem Match ein im Schlagrepertoire absolut gleichwertiger Gegner und am Netz sogar stärker. Ihr schwächerer Aufschläger Hombergen steigerte sich zusehends, während der 28jährige Drossart, zunächst bester Mann des Quartetts, in den Schlägen allmählich an Präzision verlor. Ähnlich war die Rollenverteilung auf der Gegenseite zwischen Buding, dessen Überkopfspiel imponierte und Kuhnke, dem ungewohnt viele Vorhandschnitzer passierten. Immerhin blieb er der einzige Spieler, der nicht einen Aufschlag abgab.

Drossart hielt Tempo wieder nicht durch

Bungerts Verlust des ersten Satzes im Sonntagseinzel gegen Drossart täuscht. Der Düsseldorfer hetzte seinen Gegner ganz schön über den Platz, ohne sich selbst auszugeben. Dann war der Belgier "reif". Bungerts härtere, genauere Schläge ließen ihn nicht mehr ins Spiel und kaum noch erfolgreich ans Netz kommen.

Der Veranstalter TC Noris Weiß-Blau kann die Nürnberger Daviscup-Premiere zufrieden zur Vereinshistorie zählen. Bestes Wetter und ein reibungsloser Ablauf machten die drei Tage zu einem Tennis-Fest, das über Erwarten gut besucht wurde. Wenn sie Matches mit zugkräftigen Leuten zu sehen bekommen, bei denen es "um etwas geht", dann kommen sie eben doch, die Wochenend-Patscher. Und wenn sie sich nur damit trösten wollen, daß Bessere auch Fehler machen.

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