18. Februar 1969: Kehraus auf den Straßen

F. H./N. W.

18.2.2019, 07:09 Uhr
18. Februar 1969: Kehraus auf den Straßen

© Kammler

Vom Oberbürgermeister bis zum wagemutigen „Jecken“ auf der Straße setzten gestern die vierfarbbunten Streiter den Schlußpunkt unter eine Saison, die mit viel Schwung begonnen hatte und mit einem lauten Knall in die Endphase getreten war. Bei der offiziellen Verabschiedung des Ersatzprinzenpaares im Heilig-Geist-Spital trugen die Matadoren des närrischen Establishments Ruhe und Gelassenheit zur Schau. Blaue Zipfel mit Zwiebeln, köstlicher Franken- und Moselwein übertünchten die Streitigkeiten, die in den letzten Tagen die Gemüter erhitzt hatten.

Niemand ließ sich aber deswegen den Spaß an der Freud‘ verderben. Trotz Kälte, Schnee und Eis zogen wieder Tausende durch die Straßen und gewannen auf ihre Art dem Faschingskehraus die besten Seiten ab.

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18. Februar 1969: Kehraus auf den Straßen

© Kammler

Aufregend war die Narrenparade allerdings nicht. Nur Kinder und Jugendliche hatten sich maskiert. Die Erwachsenen erfüllten ihr verrücktes Soll mit Hütchen und ab und zu mit einer dicken „Nosn“. Aus der Haut fahren wollten sie offenbar an diesem Faschingsdienstag nicht. Und die Gesichter verrieten bereits einen Hauch von Aschermittwoch. Es gab sogar Herren, die sich am frühen Nachmittag in Wirtschaften zurückzogen, weil sie ganz verrückt aufs Kartenspielen waren. Wo Musik und Unterhaltung im Getränkepreis inbegriffen war, bildeten sich Schlangen vor verschlossenen Türen. Für gute Plätze im Gaudizentrum nahmen die Narren gern kalte Füße in Kauf.

Die Lehrer hatten ein Einsehen. Sie schickten ihre singenden und schunkelnden Klassen nach zwei, drei Schulstunden gern nach Hause. Die Geschäfte in der Innenstadt machten wie auf Kommando ihre Läden dicht – für viele zu pünktlich, die ihren Rosenmontagsrausch noch nicht ausgeschlafen hatten. Wer vor geschlossenen Türen stand, schimpfte lauthals – wie etwa der Mann mit der Melone, der vor einem Lebensmittelgeschäft klagte: „Emmentaler soll ich mitbringen, hat meine Frau gesagt. Jetzt krieg ich keinen mehr. Aber das macht nichts, dafür muß sie mit den Löchern vorlieb nehmen.“

Die jüngeren Jahrgänge und solche, die nichts Besseres vorhatten, drängten zum Gewerbemuseumsplatz, wo ein Minijahrmarkt seine Sternstunde erlebte. Es war nicht zu kalt zum Karussellfahren und wiederum doch zu kalt, um untätig herumzustehen. Deshalb zogen die Leute von Stand zu Stand, aßen da warme Würste, knabberten dort gebrannte Mandeln, zogen Nieten und Gewinne aus den Glücksbechern und bissen fröhlich in die sauren Heringe.

Die Trubel-Promenade setzte sich vom Königstor über die Pfannenschmiedsgasse bis zum Hauptmarkt fort. Breite Gasse und Karolinenstraße hatten Zubringerfunktion übernommen. Die Polizei mischte sich auch am Faschingsdienstag in die Angelegenheiten anderer Leute – wie etwa am Bahnhof, wo sie einen angesäuselten Kraftfahrer kurzerhand in einen Streifenwagen verfrachtete. Zurück blieb auf dem Beifahrersitz eine bitterlich weinende Freundin im Julischka-Kostüm.

Zum närrischen Countdown schlug Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter traditionsgemäß im Heilig-Geist-Spital auf die Pauke und sammelte von Walter I und Gerlinde I die Insignien der Macht ein. Zuerst entschuldigte sich das Stadtoberhaupt für eine Panne, die gar keine war: niemand merkte, daß sein persönlicher Referent Friedrich Sebastian viel zu spät vom Bühnenball nach Hause gekommen war und keine Zeit mehr gehabt hatte, für seinen Rathaus-Boß ein Manuskript zu entwerfen.

In freier Rede bedankte sich Dr. Urschlechter bei den Männern des Festausschusses für den Schwung, den sie wieder einmal in ihr schwieriges Handwerk gebracht hatten. Die gleiche Unbekümmertheit offenbarten auch die Stadträte, die für den Faschingszug endlich eine Haushaltsstelle gefunden haben. Der Oberbürgermeister nährte finanzielle Hoffnungen, indem er feststellte: „So schnell kriegt man die nicht wieder weg.“

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