18. Oktober 1967: Kulissen für die Kunst

W. S.

18.10.2017, 08:09 Uhr
18. Oktober 1967: Kulissen für die Kunst

© Gerardi

Bei einer Kreuzfahrt durch die ganze Stadt forschten gestern kulturbeflissene Fachleute nach neuen Schauplätzen für den sommerlichen Veranstaltungsreigen "Kunst an historischen Stätten". Sie taten gar manches Schmuckstück im Verborgenen auf, um es bald schon in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Selbst die Ruine der Katharinenkirche soll 1968 – ein Jahrhundert nach der Uraufführung der "Meistersinger von Nürnberg" – wieder den Musen dienen.

"Wir wollen uns nicht damit begnügen, lediglich ein paar Fremde durch die alten, neuentstandenen Bauwerke zu führen, sondern ihnen ein Bild vom kulturellen Leben in Nürnberg mitgeben!" Dieses Ziel strebt Schul- und Kulturreferent Hermann Glaser auf vielen Wegen an.

18. Oktober 1967: Kulissen für die Kunst

© Gerardi

Seine Idee, die Sehenswürdigkeiten von der Statistenrolle für das Stadtbild zu befreien, ist "angekommen". Gut 7.000 Gäste haben in diesem Sommer von Mitte Mai bis August Burgserenaden und Abendmusiken, Theateraufführungen und Hans-Sachs-Spiele im Kreuzigungshof von Heilig-Geist, im Barockgarten an der Johannisstraße, im Hof des Wolffschen Rathauses, Rittersaal der Kaiserburg oder im Burggarten erlebt, um nur einige Beispiele zu nennen. "Der Besuch und das Echo der Veranstaltungsreihe ‚Das ist Nürnberg – Kunst an historischen Stätten‛ waren gut", konnte Dr. Martin Brons, Glasers Mitarbeiter, zufrieden vermelden.

Trotzdem wollen sich die Veranstalter der Nürnberger Sommerspiele nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Ihnen geht es vielmehr darum, das Programm weiter zu pflegen und bis zum Dürer-Jahr 1971 nach und nach auszuweiten. Sie sind sich dabei einig, daß vor allem die Bevölkerung der Stadt ihre Bestrebungen unterstützen muß. Welchen Eindruck sollen die Fremden – sie stellen in der Hauptsaison die Hälfte der Besucher – von Aufführungen mitnehmen, die nur ein paar Nürnberger auf die Beine bringen?

Aus einer "Erfolgs-Statistik" von Dr. Brons geht hervor, daß die Veranstaltungsreihe voller Risiken steckt. Über die Besucherzahl entscheidet vor allem das Wetter. Schon ein verdeckter Himmel wirkt sich nachteilig aus, selbst wenn die Veranstaltung im Saal stattfindet. Niedrige Preise haben wenig Einfluß auf den Besuch, während ihn höhere Forderungen offensichtlich hemmen. "Die Leute erwarten Volkspreise, die möglichst drei Mark je Karte nicht übersteigen sollen", meint dazu Dr. Brons. Klassische Programme genießen vor "gemischten Aufführungen" nicht unbedingt eine Vorzugsstellung. Es muß aber eingeräumt werden; entsprechende Erfahrungen fehlen, weil bisher nur eine solche Veranstaltung stattfand.

Ganz gleich, wer spielt und was gespielt wird – die "Kunst an historischen Stätten" ist für die Stadt Nürnberg ein Draufzahlgeschäft. Sie muß jährlich dafür schätzungsweise 22.000 Mark ausgeben, nimmt aber nur etwa 12.000 Mark ein. Diese Rechnung gilt selbst für Gastspiele von so renommierten Künstlern wie dem Geiger Professor Otto Büchner, der beispielsweise die Doppelkapelle auf der Kaiserburg bis auf den letzten Platz zu füllen verstand. Andrerseits fehlen in der Liste auch jene Aufführungen nicht, die vierzig Zuhörer über 400 Plätze verstreut sahen.

Anpassung an Kulturprogramm

Alles in allem aber überwiegt die Sonne bei weitem den Schatten in der Bilanz. Daher machten sich gestern die verantwortlichen Männer auch zu einer neuen Entdeckungsreise auf, zu der sie durch die bisherigen Erfahrungen mehr als ermutigt worden sind. Und sie fanden vieles, was sich als neuer Glanzpunkt für ihr Programm anbietet – vom Klosterhof im Germanischen Nationalmuseum bis zur Wehrkirche in Kraftshof, vom Innenhof um die Lesesäle der Stadtbibliothek mit seiner modernen Architektur bis zur Ruine der Katharinenkirche.

Bei der abendlichen Diskussion am runden Tisch im Heilig-Geist-Spital fehlte es nicht an guten Ideen für den "Sommer in Nürnberg", wie die Veranstaltungsreihe 1968 heißen soll. Das Schauspiel will „Armstrong sagt der Welt Ade" unter freiem Himmel aufführen, das Wort soll mit Themen wie "Nürnberg von außen gesehen", "Junge Autoren" oder "Nürnberger Poeterei" (eine Studie über den Pegnesischen Blumenorden) zur Geltung kommen, die Kunsthalle will eine Ausstellung über "Das Barocke in der Malerei" beisteuern und drei Orchesterkonzerte, fünf Abendmusiken und die Hans-Sachs-Spiele stehen weiter auf dem Programm.

Als Sommertheater hat die Ruine der Katharinenkirche, in der schon stattliche Bäume stehen, gute Aussichten, dem Heilig-Geist-Hof den Rang abzulaufen. Für 20.000 Mark ließe sich dort ein Boden aufwalzen und damit ein stimmungsvoller Raum für das Kulturleben der Stadt zurückgewinnen.

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