18. Oktober 1969: Millionen-Schäden durch Ladendiebe

NN

18.10.2019, 07:00 Uhr
18. Oktober 1969: Millionen-Schäden durch Ladendiebe

© Kammler

Während die Kriminalpolizei eine Aufklärungssquote von genau 96,3 v. H. nennt, sprechen die Kaufhäuser von einem wesentlich schlechteren Verhältnis: auf einen geklärten Diebstahl kommen mindestens 15 ungeklärte. Diese Unstimmigkeit führt die Kripo vor allem auf die Tatsache zurück, daß noch immer bei weitem nicht alle Laden-Diebstähle angezeigt werden

Arme sind ehrlicher

Welcher Personenkreis kommt hauptsächlich für derartige Delikte in Frage? Jeder! Von Schülern bis zu Greisen, von Armen bis zu Reichen. Alle Bevölkerungsschichten sind unter den Tätern vertreten. Überraschend aber ist die Aussage eines Warenhaus-Detektivs: die Ärmsten sind die Ehrlichsten. Mit dieser Feststellung ist bereits vieles gesagt. Kaum einer der Ertappten hatte es nötig, zu stehlen. In den meisten Fällen hatten die Täter mehr oder weniger große Geldbeträge bei sich.

Welche. Motive lassen bisher unbescholtene Mitmenschen zu Dieben werden? Vor allem der Wunsch, sich etwas Gutes, etwas Ausgefallenes, etwas Teures zu leisten, sich Wünsche zu erfüllen, die den eigenen Geldbeutel nicht belasten dürfen. Andererseits sind die Verlockungen auch sehr groß. Tagtäglich von der vielseitigen Werbung berieselt, die dem Verbraucher vorgaukelt, ohne dies oder das könne man doch als zivilisierter Mensch gar nicht mehr le ben, erliegen viele – vor allem Frauen – eben dieser Verlockung.

Verkaufsform „mitschuldig“

Die moderne Verkaufsform tut dann ihr übriges. In der Anonymität der Masse, inmitten eines Kaufbauses oder Supermarktes, glaubt dann mancher Kunde, schnell einen unerlaubten, unbeobachteten Griff tun zu können, er jedoch häufig mit einer Anzeige endet.

Abgesehen von den Profis unter den Ladendieben, die von Zeit zu Zeit auch in Nürnberg bandenweise auftreten, wird das Hauptkontingent der Täter von Frauen gestellt, deren Männer nicht selten angesehene Stellungen bekleiden.

Eine Anzeige ist „sicher“

Und wenn sie dann eines Tages geschnappt werden, dann ist der Jammer groß. Wirkliche Not kann in den seltensten Fällen geltend gemacht werden. Aber mehr Angst noch als vor der Polizei haben viele Damen in solchen Situationen vor ihnen Ehemännern, denen sie so gern die Schande ersparen wollen. Sie sehen die hochdotierten Posten ihrer Männer wanken und sich den Vorwürfen der eigenen Kinder ausgesetzt.

Aber alles das hilft nichts. Wenn sie erwischt werden, dann ist eine Anzeige nicht mehr zu vermeiden. Die Kaufhäuser und Supermärkte, die jährlich je nach Grüße um 100 000 bis 200 000 DM durch Diebstähle geschädigt werden, müssen hart durchgreifen. Sie wissen auch nie, ob es sich um einen Erst- oder einen Wiederholungstäter handelt.

Diebe in „Amateur-Clique“

Ein Kaufhaus-Detektiv erzählte uns diese etwas von der Regel abweichende Geschichte: eine 75jährige Frau war beim Diebstahl einer Dose Wurst gefaßt worden. In ihrer Verzweiflung bot sie sich dem „Sherlok Holmes“ zu Liebesdiensten an, wenn er nicht die Polizei rufen würde. Die Anzeige wurde trotzdem erstattet. Eine andere Frau schlug wild um sich, als sie auf frischer Tat erwischt wurde. Der Detektiv verweist auf seine noch immer schmerzende Hand.

Eine Beamtin der weiblichen Kriminalpolizei berichtete von zwei anderen, recht amüsanten Erlebnissen mit Ladendieben. So blätterte ein Grieche bei der polizeilichen Vernehmung der Beamtin 500 DM feinsäuberlich auf den Tisch mit der Bedingung, von einer Anzeige abzusehen. Als die Beamtin abwinkte, erhöhte der Delinquent nach und nach bis auf 700 DM. Es nützte nichts. Die Anzeige war unwiderruflich.

Aber das sind wirklich Ausnahmen. In aller Regel sind die Ladendiebe, wenn sie gestellt sind, sehr kleinlaut. Eine 43jährige Ehefrau eines hochgestellten Beamten erklärte, sie wollte nach dem Einkaufsbummel noch in ein Café gehen und glaubte, diesen Besuch durch den Diebstahl einer Flasche Schnaps finanzieren zu können. Ihr Mann sei sehr penibel mit Geld.

Warum sind Frauen so stark bei den Kaufhausdieben vertreten? Sie haben die meiste Zeit, herumzubummeln bei ihren Einkäufen, mehr als Männer. Aber auch Kinder und Schüler bis zum Alter von 18 Jahren, Jungen wie Mädchen, tauchen immer häufiger unter den Angezeigten auf. Während das Diebesgut bei Erwachsenen meistens einen Wert von durchschnittlich 10 bis 30 DM hat, begnügt sich der Nachwuchs oft mit billigeren Sachen.

Nicht selten schließen sich Diebe und Diebinnen zu Amateur-Cliquen zusammen und arbeiten mit vielerlei Tricks. Während einer ablenkt, „packt“ der andere ein. ihr Betätigungsfeld sind in den meisten Fällen Konfektions-Abteilungen, in denen von billigen Blusen bis zu wertvollen Pelzen geklaut wurde.

Es gibt noch viele Tricks. Das präparierte, scheinbar ganz verschnürte Paket unter dem Arm, das eine Klappe besitzt, durch die die Beute hindurchgeschoben wird, ebenso wie das innen ausgeschnittene dicke Buch, das besonders für Schmuck-Diebstahl verwendet wird. Alle diese Spitzfindigkeiten sind aber sowohl der Polizei wie den Privat-Detektiven in den Läden bekannt von Mänteln mit offenen Innentaschen, von Schirmen als Versteck ganz abgesehen.

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