19. Januar 1967: Dokument unterm Lindenbaum

19.1.2017, 07:00 Uhr
19. Januar 1967: Dokument unterm Lindenbaum

© Kammler

Der Hülse aus Blech und Glas lagen aber auch zwei zeitgenössische Lithographien aus dem 19. Jahrhundert bei. Sie wiesen auf die Glanzzeit dieser früheren Nürnberger Sommerfrische hin und werden das Foyer des künftigen Parkhotels Tiergarten zieren, wenn es am 1. Juli seine Pforten öffnet.

19. Januar 1967: Dokument unterm Lindenbaum

© Hochbauamt

Niemand anderes als die Mitglieder einer Donnerstagsgesellschaft waren es anno 1881 gewesen, die am Gründonnerstag jenes Jahres als getreue Einkehrer in den von Konrad Fickenscher und seiner Frau Käthe, geborene Keilholz, ausgebauten Gaststätte eine Linde pflanzten und ihr "zu Füßen" die Kassette mit dem heute so kostbaren Inhalt versenkten. Künstlerisch entworfen und mit 24 Unterschriften angesehener Bürger versehen, enthält sie folgenden Wortlaut:

"Heute am grünen Donnerstag des Jahres Eintausendachthundert und einundachzig abends 6 Uhr haben wir, die eigenhändig unterschriebenen Mitglieder der seit einer Reihe von Jahren hier auf dem Schmausenbuck regelmäßig am Donnerstag zusammenkommenden Gesellschaft, den an dieser Stelle befindlichen Lindenbaum in feierlicher Weise gesetzt. Möge er wachsen und gedeihen und unter seinen Schatten noch viele Geschlechter vergnügt vereinigen!

Sollte einst der Tag kommen, an welchem diese Urkunde aufgefunden wird und an dem nach menschlicher Berechnung mit Gewißheit angenommen werden kann, daß keiner der hier Unterschriebenen sich des irdischen Daseins mehr erfreut, so bitten wir, dieses Dokument dem jeweiligen Eigentümer des Schmausenbucks mit der Bedingung zu behändigen dasselbe zum ehrenden Gedächtnis von Menschen, welche Lebzeiten den Schmausenbuck wegen seiner vielseitigen Naturschönheiten hoch und wert gehalten haben und hier viele schöne Stunden durchlebt haben, unter Glas und Rahmen an geeigneter Stelle aufzubewahren."

Könige und Enrico Caruso

An die einst so romantisch-vergnügten Zeiten kann sich nur noch Frau Annie Eckert, Neuweiherstraße 27 im Zabo persönlich erinnern. Sie war das einzige Kind der Familie Fickenscher-Keilholz, die viele Mögeldorfer als das „Annerle vom Schmausenbuck“ kannten. Ihre Urgroßeltern hatten um 1835 das waldreiche Gebiet für rückständigen Arbeitslohn von 500 Gulden vom Vorbesitzer Kramer-Klett übereignet bekommen und bald darauf den einstigen Vogelherd mit einem Wirtschaftsbetrieb ausgebaut.

Großvater Konrad Fickenscher und seine Frau richteten vier große Häuser mit 75 Fremdenzimmern, Sälen, Gasträumen, Stallungen und Scheunen auf. Bürger von Rang und Namen, Fürstlichkeiten und Könige und auch der große italienische Sänger Caruso kamen und wurden gebührend bewirtet. Sie langten mit Fiakern oder Chaisen an, ließen es sich gut gehen und feierten mit, was es hier auch stets zu feiern gab. Das heutige Gelände vor dem Raubtierhaus des Tiergartens mit seiner herrlichen Felskulisse war bei den Veranstaltungen besonders begehrt.

Zwei Weltkriege sind unterdessen über den Schmausenbuck hinweggegangen. Die Zerstörungen waren allgewaltig. Nun bringen Urkunde und alte Ansichten das fröhliche Treiben von einst in „Neuauflage“ zurück.

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