19. November 1969: Hohe Schule feiert Geburtstag

NN

19.11.2019, 07:00 Uhr
19. November 1969: Hohe Schule feiert Geburtstag

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Nach einem halben Jahrhundert bewegter Geschichte der früheren selbständigen Handelshochschule, die heute als Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät Bestandteil der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist, haben die Ziele, die sich bald nach Eröffnung des Lehrbetriebes der Hohen Schule am 15. Oktober 1919 herauskristallisierten, nicht an Aktualität verloren: die systematische Erforschung und Lehre der mannigfach verflochtenen Problematik des Wirtschafts- und Soziallebens.

Nur 41 Jahre und sieben Monate wurde die mit vielen Hoffnungen gegründete Handelshochschule alt, dann trat sie die einschneidendste Maßnahme ihrer Geschichte, die Fusion mit der Erlanger Universität, die am 29. Juni 1961 durch einen akademischen Festakt nach außen hin bekräftigt wurde. Professor Dr. Bergler, nach dem Krieg zweimal Prorektor und maßgeblich am Wiederaufbau der zerstörten Hochschule beteiligt, hat in zwei Bänden ihre Geschichte geschrieben, der folgender kurzer Abriß zugrunde liegt.

Graf Montgelas trägt mit Schuld daran, daß Nürnberg nicht zu einer der bedeutendsten deutschen Universitätsstädte geworden ist. Er war es, der den Bemühungen, die Universität Altdorf nach Nürnberg zu verlegen und den Grundstein zu einer neuen Hohen Schule zu schaffen, ein Ende bereitete. Nicht ausrotten dagegen konnte er den Wunsch der alten Reichsstadt nach einem Lehrstuhl für Handelswissenschaften, der schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts auftauchte. Doch bis zur Gründung einer Handelshochschule waren noch viele Widerstände zu beheben, zumal sich die Interessen zwischenzeitlich auf eine Technische Hochschule in Bayern konzentriert hatten.

Nach langem Hin und Her gab König Ludwig III. im Mai 1918 jedoch seine Genehmigung für eine Handelshochschule, so daß wenige Tage später die Stiftung "Freie Hochschule für Handel, Industrie und allgemeine Volksbildung" ins Leben gerufen werden konnte. Ungeachtet der finanziellen Schwierigkeiten und des durch den Ausgang des ersten Weltkrieges verursachten seelischen Druckes, wurde die junge Stiftungshochschule binnen weniger Jahre derart ausgebaut, daß sich das Schwergewicht immer mehr zugunsten der hauptamtlichen Dozenten verschob und die Hochschule 1925 die Senats- und Rektoratsverfassung verliehen bekam.

In den folgenden Jahren machte die innere Konsolidierung und der äußere Ausbau der Hochschule weitere Fortschritte: ab 1927 konnte man sich in Nürnberg habilitieren, zwischen 1928 und 1930 wurde die Befugnis zur Ausbildung und Prüfung von Diplomhandelslehrern erteilt und auch das Recht zur selbständigen Promotion zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften errungen.

Ausbau verhindert

Unter erheblichen Opfern wurden Unterrichts- und Forschungseinrichtungen ge-schaffen und die Bestände der Zentralbibliothek und Fachbüchereien vermehrt. Die Arbeit in den Seminaren und Instituten gewannen an Umfang und Bedeutung und fand auch im Ausland Anerkennung. In dieser Beziehung verdient vor allem das "Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware" sowie die damit verbundene "Gesellschaft für Konsumforschung" hervorgehoben zu werden.

Die Jahre 1933 bis 1945 hindern die Fortsetzung des Auf- und Ausbaues der Hohen Schule, die besonders während der Kriegsjahre nicht möglich war. Bergler schreibt über diese Zeit, als die Hochschule den Namen "Hindenburg-Hochschule" trug: "Die Jahre des ‚Dritten Reiches‘ gehören zur Geschichte der Hochschule wie alle anderen. Sie waren nicht glanzvoll, aber sie waren gefahrvoll, weil das Leben der Hohen Schule erst kurze Zeit währte, weil ihr die alte Tradition fehlte, die anderen Hochschulen die Kraft des Beharrens geben konnten. Als die Feuer des Krieges in sich zusammengesunken, die Gebäude zerstört und die Studenten in alle Winde verweht waren, bestand wenig Aussicht, daß dieser mißhandelten Hochschule noch eine neue Epoche beschieden sein könnte."

Weichen gestellt

Man mußte beim Nullpunkt beginnen. Ordinarien, wie Wilhelm Vershofen, Eduard Brenner, Hans Proesler und Georg Bergler, und die Stadt Nürnberg nahmen den Wiederaufbau tatkräftig in Angriff. Langsam flossen die Gelder und langsam entstanden die erforderlichen Einrichtungen wieder. Die Hochschule erhielt das Recht, Diplomvolkswirte auszubilden und zu prüfen und etwas später die Prüfung für Sozialanwälte und -wirte abzunehmen. Zu keiner Zeit ihrer Wirksamkeit erfreute sich die Hochschule größerer Förderung durch die Stadtverwaltung. Die Hohe Schule war mit den notwendigen Lehrstühlen ausgestattet, mehr Studenten denn je hatten sich eingeschrieben.

Mit dem Abschluß des Wiederaufbaues endet aber auch die Geschichte der Handelshochschule. Der letzte Rektor, Hermann Eichler, hatte die Weichen für eine möglichst reibungslose Überleitung in den Verband mit der Universität Erlangen zu stellen. Der seltene Fall der Fusion zweier hoher Schulen trat 1961 ein. Damit wurde ein mehrere Jahre dauerndes Ringen zwischen den Befürwortern und Gegnern der Fusion beendet. Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter sprach beim akademischen Festakt den beiden Senaten seinen Dank aus: "Sie haben den Weg freigegeben nicht etwa aus ständischen Gründen, sondern in echter Erkenntnis des Gesamtgedankens der Alma mater, immer im Auge behaltend die möglichst umfassende Ausbildung unserer Studentenschaft." Das finanzielle Moment blieb in den Reden fast unerwähnt, obgleich die Stadt künftig zwei Drittel der Personal- und die Hälfte der Investitionskosten übernehmen muß.

In den Jahren nach der Fusion galt es die Integration der neuen 6. Fakultät mit der Universität Erlangen schrittweise weiterzuvollziehen, was schon allein wegen der räumlichen Verhältnisse nicht immer leicht war. Neu ist das Rechenzentrum, das die Universität bekam und der Lehrstuhl für elektronische Datenverarbeitung, der erstmals im Sommersemester als 6. betriebswirtschaftlicher Lehrstuhl eingerichtet wird.

Es war ein langer Weg vom Kollegienhaus der Hochschule in der Findelgasse zum Fakultätsneubau der kommenden Jahre, vom ersten Direktor der Hochschule, Professor Dr. Wilhelm Rieger, zum derzeitigen Dekan der 6. Fakultät, Professor Dr. Otmar Issing, von den 171 Studenten des ersten Semesters der Hochschule zu den 2.200 Studierenden an der 6. Fakultät. Heute steht man vor der Sorge, mit dem Massenansturm an Studenten der Vergangenheit fertig zu werden und den Massenansturm der Zukunft bewältigen zu können.

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