19. Oktober 1968: Leser helfen dem Polizeipräsidenten

19.10.2018, 06:47 Uhr
19. Oktober 1968: Leser helfen dem Polizeipräsidenten

© NN

Dieses Problem tauchte in der letzten NN-Veranstaltung „Zu Gast bei...“ in der Meistersingerhalle auf, konnte aber an Ort und Stelle nicht gelöst werden. Polizeipräsident Dr. Horst Herold wollte sich nicht auf weibliche Hilfskräfte festlegen lassen, weil – nach seiner Ansicht –das Für und Wider noch nicht genug abgewogen ist. Ein Zuhörer männlichen Geschlechts machte daraufhin den Vorschlag: „Laßt uns darüber abstimmen!“

19. Oktober 1968: Leser helfen dem Polizeipräsidenten

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Dr. Herold hatte gegen einen solchen Volksentscheid nichts einzuwenden, wir möchten die Frage jedoch einem größeren Kreis vorlegen. Hier ist sie und geht an alle unsere Leser: „Politessen – ja oder nein?“ Auf dem Stimmzettel können sie Ihre Meinung kundtun und dem Präsidenten möglicherweise die Entscheidung erleichtern.

Andere Städte haben schon recht gute Erfahrungen gemacht, als sie junge Damen losschickten, um die Kraftfahrer an abgelaufene Parkuhren mit unschuldsvollem, strahlendem Lächeln zur Kasse zu bitten. In München und Frankfurt sollen Verkehrssünder vom einnehmenden Wesen der Politessen in Einzelfällen sogar so begeistert gewesen sein, daß sie sich noch zu größeren Opfern wie Einladungen zum Essen oder gar zur Ehe entschlossen. Trotz solch erfreulicher Kontakte statt der berühmten Konflikte zwischen Bürger und Polizei übte Nürnberg bisher äußerste Abstinenz mit dem Charme an der Parkuhr. Dr. Horst Herold, selbst ein Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle, weiß dafür nur einen, aber dafür sehr einleuchtenden Grund zu nennen: das liebe Geld.

Nürnberg konnte sich bisher keine Politessen leisten, weil alle Planstellen für Polizeibeamte besetzt waren und der Staat nur für diese Zahl seine Zuschüsse gab, die ohnehin nur ein Drittel der wahren Personalkosten ausmachen. Obendrein ist es – so der Präsident – nicht damit getan, die Damen auf die Straße zu schicken. Sie müssen, bei den bekannten Ansprüchen der Weiblichkeit auf modische Effekte, auch entsprechend gekleidet sein. Dr. Herold denkt dabei an eine umwerfende Ausstattung vom Minirock bis zur eng anliegenden Ski-Hose, von hochhackigen Schuhen bis zum Stiefel nach dem letzten Schrei. Er hat errechnet, daß es an die 180 Mark kostet, die Reize einer einzigen Politesse bloßzulegen oder zu verhüllen.

Mit Geld allein läßt sich aber der neue „Look“ der Polizei nicht erkaufen. Das Problem der Damen in Uniform hat noch eine andere Seite. Der Präsident gibt zu bedenken, daß bedauerlicherweise auch die holde Weiblichkeit nicht mit ewiger Jugend gesegnet ist und der besagte Charme an der Parkuhr mit zunehmendem Alter blasser wird. Für ihn als weitschauendem Chef bleibt noch die gewichtige Frage: „Was tun, wenn die Damen in die reiferen Jahre kommen...“ und noch nicht an den Richtigen gekommen sind?

Dennoch scheint er nicht abgeneigt, dieses Risiko einzugehen. Für Dr. Herold ergeben sich ganz neue Perspektiven, weil der Staat bereit ist, vom kommenden Jahr an für weitere 122 Planstellen Zuschüsse zu leisten. So gerne er mehr männliche Beamte hätte, weil sie sich vielseitiger einsetzen lassen, so gerne möchte er auch dem Kraftfahrer etwas Schönes biete. Zwei Seelen wohnen – ach – in seiner Brust.

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