20. Februar 1968: Merkel steht im Keller

F. H.

20.2.2018, 07:00 Uhr
20. Februar 1968: Merkel steht im Keller

© Ulrich

Handwerker und Künstler arbeiten mit Hochdruck an dem Prunkstück der Narrensaison: in ihren Werkstätten und auf Hinterhöfen zimmern sie die Wagen zusammen, pinseln originelle Einfälle auf bunte Transparente und modellieren prominente Zeitgenossen, die zur Gaudi der Zuschauer auf zwei oder vier Rädern durch die Straßen rollen werden. „Wir glauben, daß wir niemanden enttäuschen“, hofft Zugleiter Franz Grimme.

In der Tat: was sich in den Narrenküchen zusammenbraut, kann sich bestimmt sehen lassen. Während die zehn Nürnberger Karnevalsgesellschaften ihren humorvollen Zugbeitrag durch ehrenamtliche Helfer liefern, läßt der Festausschuß seine acht gummibereiften Aushängeschilder von bezahlten Fachleuten herstellen. Die Männer um Präsident Hans Bernhard, finanziell nicht auf Rosen gebettet, haben diesmal noch tiefer in die Tasche greifen müssen. Die Mehrwertsteuer hat die Kosten erhöht. „Jeder Wagen verschlingt tausend Mark“, sagt Franz Grimme, der die meisten Entwürfe selbst beigesteuert hat. „Hübsche Ideen gab es genug, aber technisch kann man nicht alles verwirklichen.“

20. Februar 1968: Merkel steht im Keller

© Ulrich

Trotzdem mangelt es nicht an guten Motiven. Club-Trainer Max Merkel, Nürnbergs Fußballgütezeichen, soll auch den Narrenglanz mit aufpolieren helfen. Der Wiener „steht“ schon – in einem Kellerraum in der Martin-Behaim-Straße. Grafiker Wolfgang Koch hat ihm aus Drahtgestellen, Zeitungspapier und Leim eine respektable Form gegeben: MM bringt über drei Zentner auf die Waage, mißt 3,20 Meter und seine karierte Schirmmütze reicht bis knapp unter die Decke.

Die Narren haben das Geheimnis seines Erfolgs gelüftet: der „Einpeitscher“ spritzt „Merkulin“ in eine riesige Flasche, die nun den alten Club zum deutschen Meister macht. Drei Meter neben Merkel reckt sich Rudi Dutschke in die Höhe. Der gefürchtete Linksaußen unter den Studenten ruft, mit einer Mao-Fibel in der Hand, zum „Brodest“ auf. Der Festausschuß hat auf den SDS-Chefideologen seinen eigenen Vers gemacht: „Sensationelle Gehirnverpflanzung: Student in Berlin mit Hirn eines Chinesen.“

In den letzten Tagen vor dem Galafest wird überall geleimt, gezimmert, gemalt und montiert. In der Karl-Grillenberger-Straße hat Reklamemaler Gottfried Luft sämtliche Teile für zwei weitere Wagen des Festausschusses zusammen. Dekorativ nimmt sich das Motto des heurigen Faschings auf einer zwei Meter breiten Hartfaserplatte aus: „Ob Narr oder Weiser, jedem sein Dukatenscheißer.“

Aus Holz ist die lange Nase von Charles de Gaulle, mit der er den Engländern den Weg nach Europa versperrt. Die Handwerker sind mit ihrer Arbeit fast fix und fertig. Es fehlen nur noch die Lastwagen, die aber erst am Samstagvormittag zur Verfügung stehen.

„Der Aufbau ist in wenigen Stunden abgeschlossen“, meint Gottfried Luft. „Ich mache das schon seit 1950. Da hat man seine Erfahrung.“ Einige Holzstücke aus den letzten Jahren kann er verwenden – wie beispielsweise die Seitenteile mit den Bildern des einst gefeierten Prinzenpaares Brigitte I. und Herbertla I. Diesmal verdeckt, leisten sie erneut gute Dienste.

Was jetzt noch wie Bruchstücke anmutet, wird am Sonntag zu einer homogenen Einheit geformt. Die Stunde der Wahrheit beginnt, wenn in der Welserstraße der Startschuß fällt. Dann geht es Schlag auf Schlag: zu sehen sind 115 Nummern mit über 2000 Mitwirkenden. 29 Kapellen mit 800 Musikern werden kräftig auf die Pauke hauen und die Menschenmassen an den Straßenrändern auf karnevalistischen Kurs trimmen.

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