20. September 1967: Künftig kein Eisstadion?

20.9.2017, 07:49 Uhr
Schlittschuhlaufen bei 30 Grad im Schatten und wenige Meter weiter in die kühlen Fluten springen – das konnten die Nürnberger heuer im Lindestadion.

© Gerardi Schlittschuhlaufen bei 30 Grad im Schatten und wenige Meter weiter in die kühlen Fluten springen – das konnten die Nürnberger heuer im Lindestadion.

Die Stadt soll sich finanziell stärker beteiligen, als sie es seither getan hat. Sollten ihre Zuschüsse nicht erhöht werden, dann – so wird allgemein befürchtet – muß damit gerechnet werden, daß das Eisstadion am 1. Januar 1968 geschlossen wird.

"Ein solcher Entschluß kommt einem Vertragsbruch gleich", sagt die Stadt, die es auf einen Rechtsstreit mit der Linde AG ankommen lassen will, um das Stadion offenzuhalten.

Sie beruft sich auf einen Vertrag vom 20. August 1935, in dem der Linde AG das Gelände an der Äußeren Bayreuther Straße auf fünfzig Jahre in Erbpacht überlassen worden ist. Bis 1962 überwies das Finanzreferat jährlich etwa 50.000 DM, um das Verlustgeschäft des Eissportbetriebes auf ein erträgliches Maß zu mindern. In den vergangenen fünf Jahren wurde der Zuschuß auf 73.000 DM erhöht. In dieser Zeit betrug das Defizit aber über 200.000 DM. Rationalisierung machte es möglich, das Loch in der Kasse von 1965 auf 1966 um gut 100.000 DM zu verkleinern.

Allerdings sind in der nächsten Zeit bedeutende Investitionen erforderlich, damit ein geordneter Eissportbetrieb möglich ist. Die Kosten werden auf etwa 600.000 DM geschätzt. Die Finanzierung dieses Betrages – unter anderem müssen neue Kältemaschinen angeschafft werden, die Eisfläche braucht bessere Rohre – bildet den tieferen Grund der seit langem bestehenden Meinungsverschiedenheiten.

Schon jetzt zeichnen sich die enormen Schwierigkeiten ab, wenn das Eisstadion am 1. Januar geschlossen werden sollte. Sportlich und finanziell am stärksten getroffen wird die Spielgemeinschaft Nürnberg e. V. (SGN), die von der Stadt einen größeren Zuschuß für das Stadion fordert. Ihr Präsident Rolf Wesse erklärte gestern: "Ist bis Ende September nicht geklärt, daß das Stadion auf jeden Fall diese Saison voll geöffnet bleibt, so muß unsere Mannschaft aus der Eishockey-Oberliga abgemeldet werden, weil wir sonst hohe Konventionalstrafen (2.000 DM pro Spiel) und beträchtliche Risiken tragen müssen."

Aber auch die Jugend wird die Eisfläche schmerzlich vermissen: durch ihren Zuschuß hat sich die Stadt das Recht gesichert, daß Schüler das Eis – sowie das Schwimmstadion benutzen dürfen. Allein 25.000 Kinder haben im letzten Jahr diese Möglichkeit genützt. Nicht zuletzt dürfte dem Eiskunstlauf der Todesstoß versetzt werden, der in Nürnberg sehr populär ist und mit den Eheleuten Sonja und Günter Pfersdorf im Paarlaufen sowie Angelica Wagner im Damen-Einzellauf sogar zwei deutsche Titelträger gestellt hat.

Wie soll es weitergehen?

Die SGN bedauert, daß die von ihr vorgeschlagene Genossenschaft noch nicht gegründet wurde, die alle am Eissport interessierten Vereine sowie die Stadt aufnehmen soll. "Diese Genossenschaft sollte das Lindestadion betreiben", betonte Rolf Wesse und fügte hinzu: "Wir waren bereit, die Verwaltung zu übernehmen." Die SGN äußerte sogar den Verdacht, "daß diejenigen nicht Unrecht haben, die seit zwei Jahren davon sprechen, die Stadt wolle überhaupt nicht mehr das Eis- und Schwimmstadion offenhalten, weil das Gelände für Wohnblocks vorgesehen ist."

Wie soll es nun weitergehen? "Ich lehne jede Stellungnahme ab", erklärte gestern Stadiongeschäftsführer Fritz Lauer. Nicht viel mehr sagte auch Oberverwaltungsrat Friedrich Sebastian: "Die Fachreferate haben noch keine Entscheidung gefällt." Aber gerade darauf warten die eissporttreibenden Vereine mit großer Ungeduld.

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