21. April 1971: Hochzeitsmarsch fällt aus

21.4.2021, 07:00 Uhr
21. April 1971: Hochzeitsmarsch fällt aus

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Freilich: diese Verlautbarung – von der noch nicht feststeht, ob es sich um eine Verordnung, eine Empfehlung oder einen Diskussionsbeitrag handelt – wurde in den Nürnberger Kirchen seit langem praktiziert.

Kaplan Karl Schlemmer von der Dekanatspfarrei Elisabeth: "Wir sind mit diesem Problem eigentlich nie konfrontiert worden. Die Brautleute wünschen sich Musik schlechthin; vermutlich verstehen die meisten auch zu wenig davon, um spezielle Wünsche zu äußern. Nur gelegentlich wurden welche laut, etwa nach dem Hochzeitsmarsch von Mendelssohn-Bartholdy oder nach 'So nimm denn meine Hände'. Doch konnten wir diesen Ansinnen gerne nachkommen, denn die Stücke wurden nie während, sondern stets vor oder nach der Trauungs-Liturgie gespielt."

In der Pfarrei "Zu Unserer Lieben Frau" ist es laut Kaplan Hans Endres nie zu Schwierigkeiten gekommen, obwohl in der Frauenkirche die weitaus meisten katholischen Ehen geschlossen werden. Denn die Brautleute besprachen sich stets zuvor mit dem Organisten.

Hubert Schaffer, Lehrer am Konservatorium und Organist in der Frauenkirche, ist daher wie kaum ein anderer Nürnberger befähigt, Auskunft über die musikalischen Trauungswünsche der Nürnberger zu geben. "Bisher ist es mir immer gelungen, die Leute von meinen Vorstellungen zu überzeugen. Das 'Largo' von Georg-Friedrich Händel beispielsweise, meist bei Beerdigungen gespielt, wurde oft verlangt; häufig gelang es mir, die Brautleute umzustimmen.

Hingegen habe ich – gerade im Hinblick auf die evangelischen Christen, denen es oft viel bedeutet – relativ oft 'So nimm denn meine Hände' gespielt; ähnliches gilt von 'Ave Maria' von Gounod. Das Schubertsche jedoch habe ich des Textes wegen abgelehnt."

Das "Hallelujah" von Händel, ebenfalls oft gewünscht, konnte nicht intoniert werden, da es kein Orgelstück ist. Der Kirchenchor wiederum konnte, entweder aus personellen oder auch finanziellen Gründen, nicht so oft wie gewünscht eingesetzt werden. Ganz selten wurden auch "moderne Klassiker" verlangt. Schaffer konnte diesen Wünschen gerecht werden, denn es gibt beispielsweise Orgelstücke in Zwölftonmusik. Gospels oder sakral getönte Beat-Musik wollten jedoch selbst die jüngsten Paare bislang noch nicht an ihrem Hochzeitstag hören.

Hubert Schaffer ist nicht traurig darüber, daß der neuesten vatikanischen Verlautbarung neben allen Opern- und Operettenstücke auch typische "Kirchenschlager" zum Opfer fallen, wenngleich er zugibt: "Manchen Menschen bedeuten sie sehr viel." Schaffer ist optimistisch: "Es werden sicherlich neue Formen der Kirchenmusik gefunden; Anfänge sind ja überall zu sehen. Nur muß ich gestehen, daß mir bis jetzt die Texte dieser neuen Kirchenlieder weitaus mehr zusagen als die Musik."

Mit diesem Problem, das auch die Katholiken kaum mehr berührt, brauchen sich die evangelischen Christen Nürnbergs seit langem nicht mehr zu befassen: in den evangelischen Kirchen sind profane Stücke untersagt.

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