21. Februar 1968: Fürsprecher von Rang und Namen

NN

21.2.2018, 07:00 Uhr
21. Februar 1968: Fürsprecher von Rang und Namen

© Kammler

Professor Carlo Schmid willigte bei einem Besuch im Rathaus ein, die Aufgabe eines Fürsprechers und Ratgebers für die Stadt zu übernehmen. „Ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht, um mich nützlich zu machen“, versicherte der Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats und der Länder unter dem Beifall des ganzen Hauses.

Die Sondersitzung des Ältestenrates, an der zu Ehren des hohen Gastes auch Abgeordnete und Senatoren, der Regierungspräsident und Persönlichkeiten des kulturellen Lebens teilnahmen, gipfelte in einer Huldigung an den Menschen und Politiker Schmid, den glänzenden Redner und geistvollen Goethe-Preis-Träger.

„Diese Stadt wird sich ehren ...“

Der 71jährige Sozialdemokrat, ein Mann der ersten Stunde im demokratischen Deutschland, kam unter dem frischen Eindruck einer Rundfahrt zum Dürer-Grab auf dem Johannisfriedhof und zur Ausstellung „Magie und Abstraktion“ in der Kunsthalle, zum Dürer-Haus und zum Germanischen Nationalmuseum in das Rathaus. „Nürnberg ist eine der sehr raren Gottesgaben, wo das Vorgestern und das Übermorgen beisammen sind, nebeneinander existieren, ohne daß das eine ein Widerspruch gegen das andere wäre“, bestätigte der Minister.

21. Februar 1968: Fürsprecher von Rang und Namen

© Kammler

Der Professor für politische Wissenschaft an der Universität Frankfurt und langjährige Vizepräsident des Bonner Bundestags, „dessen Urteil in der Welt des Geistes und der Kultur von Gewicht ist“ (so Oberbürgermeister Dr. Urschlechter), glaubte seinen Gastgebern im voraus bescheinigen zu dürfen: „Diese Stadt wird sich 1971 ehren und sich der Ehre würdig erweisen, eine große Stadt der deutschen Nation zu sein, wenn sie ein Jahr lang in feierlicher, weithin hallender, gar nicht musealer Weise ihres größten Sohnes gedenkt!“

Er habe bei seiner Rundfahrt ein Zeugnis dafür erfahren können, „Wie sehr diese Stadt alles andere ist als ein Butzenscheiben-Paradies, als eine Art von Vorlage für einen Walt-Disney-Film, sondern etwas unmittelbar Lebendiges“.

Eine Bitte und viel Beifall

„Es gibt keinen anderen Mann, den wir lieber bitten könnten und möchten als Sie, den Festvortrag beim Festakt zum Geburtstag Albrecht Dürers am 21. Mai 1971 zu halten“, sprach Rundfunkstudioleiter Konrad Michel, der Vorsitzende des Arbeitsausschusses Dürerjahr im Kulturbeirat, zu dem Minister gewandt. „Sie sind ein kühner Mann“, entgegnete Carlo Schmid, „denn vergessen Sie nicht, daß ich im 72. Lebensjahr stehe und ein Menschenleben 70, wenn es hochkommt 80 Jahre währt!“ Hämmernder Applaus klang aber von den Tischen auf, als der Professor hinzufügte: „Ich werde es tun, wenn ich es erlebe.“

Eine kleine Kostprobe des künftigen Festredners durften die Nürnberger gleich an Ort und Stelle erleben. „Albrecht Dürer gehört zu den nicht allzu vielen Deutschen, die bewirkt haben, daß sich einiges in dieser Welt bewegt hat“, sagte der Professor und fügte hinzu: „Er war nicht nur ein bedeutender Maler, er war darüber hinaus mit der Art, wie er malte und wie er sich sein Malen dachte, in seiner Zeit einer von denen, die die neue Zeit mit herbeigeführt haben!“ Der Malerfürst dürfe sich zu den Menschen zählen, ohne die die Welt nicht hätte werden können, was sie heute ist.

Und noch einmal zu Nürnberg: „Diese Stadt hat allzu lange bei den Deutschen als die Stadt des Schuhmachers und Poet dazu Hans Sachs gegolten, wobei man in Hans Sachs nicht den hintergründig dämonischen Menschen, sondern den Butzenscheiben-Mann gesehen hat, eine Art von frühen Spitzweg, der unsere Gemütsbedürfnisse befriedigen kann!“

Professor Carlo Schmid aber möchte Nürnberg eine andere Rolle zuschreiben: „Diese Stadt sollte im Gedächtnis und im Bewußtsein der Deutschen nicht nur als die Stadt des sehr liebenswerten Hans Sachs weiterleben, sondern als einer der wenigen Orte in unserem Land, wo sich der Mensch hat bilden können im Sinne von Sich-selbst-Schaffen und Sich-in-die-Form-der-neuen-Zeit-Bringen!“

Kulturreferent Dr. Hermann Glaser zeigte sich erfreut, einen der führenden Köpfe in der Bundesrepublik als Protektor und Festredner für das Dürer-Jahr gewonnen zu haben. „Daß Sie bereit sind, Herr Minister, kraft Ihres Amtes ist wichtig, aber kraft Ihrer Persönlichkeit ist entscheidend!“ Glaser zeigte sich auch aufgeschlossen für die ersten guten Ratschläge des Ministers, die da lauteten: „Vermeiden Sie alles, was an die Jahrhundertfeiern früherer Zeiten erinnert wie Festzüge mit putzigen Wagen; vermeiden Sie jeden Anlaß, gut zu verkaufende Souvenirs produzieren zu können, und mogeln Sie sich nicht über die Reichsparteitage hinweg, denn nur aus dem Mut, sich zu diesem Stück Nürnberger Geschichte zu bekennen, wächst Ihnen die Kraft zu, im Fühlen und im Denken umzukehren!“ Dr. Glaser versprach: „Nürnberg will keine Stadt der Proklamationen mehr, sondern eine Stadt des Gesprächs sein!“

Königsfanfare und Kerzenlicht

Der „Freund Nürnbergs“, wie Oberbürgermeister Dr. Urschlechter bei seinem Willkomm Professor Carlo Schmid genannt hatte, durfte sich am Ende einer Sternstunde im Rathaussaal in das Goldene Buch der Stadt Nürnberg eintragen. Auf die vielen lobenden Worte des Stadtoberhauptes entgegnete der Gast bescheiden: „Als ein Mann im 72. Lebensjahr erscheint es mir als ein großer Abschluß eines langen Lebens, noch einige Jahre mitwirken zu können, daß dieser große Deutsche Albrecht Dürer in einer Weise geehrt wird, durch die sich die Ehrenden selber ehren!“

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