21. Januar 1968: Faschingsschlager auf dem Parkett

21.1.2018, 07:00 Uhr
21. Januar 1968: Faschingsschlager auf dem Parkett

© Gerardi

Sein Siegeszug dauert nun schon Jahre an. Mehrmals totgesagt, von den älteren belächelt, wenn nicht gar verabscheut, von der Jugend begeistert aufgenommen, ist er lebendig in unzähligen Variationen, weich, hart, "beseelt§.

Sie sind es offensichtlich auch, die ihm das Lebenslicht erhalten, denn niemand ist mehr vor die Alternative Ablehnung oder Zustimmung gestellt, den verschiedenen Geschmacksrichtungen hat er sich angepaßt. So läuft er heuer allen anderen Tänzen den Rang ab.

Längst wurde der Beat "gesellschaftfähig". Die Tanzschulen haben sich seiner angenommen und das wilde "Lämmerhüpfen" in gemäßigte rhythmische betonte Schrittfolgen gebracht, nach denen die Fohlen auf dem spiegelnden Parkett die "Hohe Schule" des Tanzens erlernen.

Es war nicht immer so, daß Modetänze in vielerlei Gestalt so schnell Aufnahme in der Gesellschaft fanden, nur eine Minderheit bewegungslustiger Jugendlicher propagierte sie in ihren Lokalen. Erst wenn sie gar nicht totzukriegen waren, wurden sie in die kleine Gruppe ewig junger Standarttänze aufgenommen. Heute dagegen gibt es eigene Kurse und Tanzabende für die jeweiligen Schlager der Saison – und das versprechen in diesem Jahr Slop, Black-Beat, Pony-Jerk, Boogaloo und Skate zu werden, alles legitime Nachfahren und Ableger des Beat.

Walzer, Fox und Polka gehören zwar noch immer zum Repertoire der Tanzkapellen, doch wer glaubt, mit diesen Schritten ist‘s getan, wird sitzenbleiben. Er wird größeres Stehvermögen an der Bar oder in gepflegter Konversation am Tisch beweisen müssen als auf dem Parkett, denn dort wird sein Typ nur noch ab und zu verlangt.

Daraus hat vor allem die Jugend über 25 ihre Konsequenzen gezogen, denn Teenager und Anfangtwens haben den Zug der Zeit ja erst auf Schwung gebracht, wenn sie jetzt auch teilweise von seinem Tempo überrollt werden und selbst nicht auf dem laufenden bleiben können, ohne sich über die neuesten Schritte in einer der Nürnberger Tanzschulen zu informieren.

Zunächst recht zaghaft fallen die Versuche aus, den Grundschritt des Beat im schlagbetonten Viervierteltakt dem Vorbild des Meisters anzupassen. Das Hopsen mit Gewichtsverlagerung, das In-die-Knie-Sinken, das immer sich steigernde Tempo wird Arbeit, die ihren Tribut in perlenden Schweißtropfen fordert. Doch wenn letzten Endes die Tänzer nicht mehr an bockende Eselchen oder stolpernde Schlittschuhläufer erinnern, macht‘s schließlich Spaß und – offensichtlich allen, nicht nur der Jugend unter 20.

Beim Cha Cha Cha, Letkiss oder Wiener Walzer troff einst auch der Schweiß vor dem Preis, trotzdem blieben sie Hits im Ballgewühl, ebenso wie die Hüpftänze La Bostella oder La Bamba, Meister fallen noch immer nicht vom Himmel, auch wenn‘s "nur" um das Vergnügen geht.

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