22. April 1971: Das 20 Millionen DM-Wagnis

22.4.2021, 07:00 Uhr
22. April 1971: Das 20 Millionen DM-Wagnis

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Allerdings basiert dieser Beschluß auf der Voraussetzung, daß sich Bund und Land mit jeweils mindestens 6,5 Millionen Mark am Ausbau beteiligen und die Stadt selbst lediglich 3 Millionen Mark aufzubringen hat. Diese Mittel sollen – gegen den Willen des Stadtkämmerers – vom Überschuß des Jahres 1970 abgezweigt werden. Weitere 4 Millionen Mark erhofft sich die Stadt aus der Glücksspirale (für diese 3 Millionen soll der Staat die Ausfall-Bürgschaft übernehmen) und aus Einnahmen der WM-Spiele.

Weiter in der Diskussion bleibt der Vorschlag der CSU-Fraktion, Finanzlücken dadurch zu schließen, daß Stadionbesucher ein erhöhtes Eintrittsgeld zahlen müssen: der Finanzausschuß soll sich mit diesem Gedanken noch näher befassen.

Nicht auf Ansprüche verzichten

Die SPD, bislang ein Gegner des Stadionausbaues, sagte es durch ihren Fraktionschef Willy Prölß unverblümt: „Selten ist uns eine Entscheidung so schwergefallen.“ Man habe sich schließlich doch dafür entschieden, weil es falsch wäre, auf Ansprüche von vornherein zu verzichten und weil es sonst in Zukunft kaum möglich sein werde, für das Stadion einen Bundeszuschuß zu erhalten.

22. April 1971: Das 20 Millionen DM-Wagnis

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Und Prölß zum Finanzierungsplan seiner Fraktion: „Wir gaukeln uns nichts vor: in einem halben Jahr schon kann alles ganz anders aussehen. Wir sind aber optimistisch genug zu glauben, daß die Finanzierung so klappen könnte.“

Die CSU, von Anbeginn an ein Verfechter des Ausbaues, konnte sich darauf beschränken, dem Staat zu unterstellen, sein Parlament werde sich ähnlich verhalten wie der Nürnberger Stadtrat, der ja jetzt auch gegen den Kämmerer stimme. Die von Finanzminister Schedl in Aussicht gestellten 4 Millionen Mark seien deshalb als die unterste Grenze des Staatszuschusses zu verstehen. „Freilich ist das Ganze ein finanzielles Risiko, aber wir gehen es ganz bewußt ein“, erklärte Fraktionsvorsitzender Georg Holzbauer.

Während er und Prölß optimistisch in die Zukunft, schauten, sah Leo Flach (FDP) bei gleichem Ausblick tiefschwarz: „Mir wird angst und bange, wenn der Stadtrat nicht den Mut aufbringt, die Ausgaben einzuschränken.“ Diese Angst überkam ihn angesichts der wachsenden Schuldenlast und des immer größer werdenden Kapitaldienstes. Deshalb sei das Stadion eine Rechnung mit zu vielen Unbekannten, als daß ein solches Risiko gegenüber dem Bürger verantwortet werden könne.

Über den Antrag der FDP brauchte denn auch gar nicht abgestimmt werden: sie wollte dem DFB vorschlagen, die WM-Spiele im unveränderten Stadion auszutragen. Dazu OBM Dr. Urschlechter: „Das habe ich dem Komitee schon zweimal vorgetragen – und zweimal ist dies abgeschlagen worden.“

Vertagt wurde, nach welchem Modell das Nürnberger Stadion ausgebaut werden soll. Baureferent. Otto Peter Görl hofft, noch eine Konkurrenzsituation schaffen zu können, die sich preisregulierend auswirkt. An den bisherigen drei Varianten soll weiter verbessert, rationalisiert und eingespart werden, so daß die Baukosten die 20-Millionen-Mark-Grenze nicht überschreiten.

DER KOMMENTAR

Nürnberg als WM-Stadt ausgeschieden?

Jetzt ist er also vom Stadtrat beschlossen, der Stadionausbau. Ob er jemals verwirklicht wird, steht in den Sternen. Denn in der Rechnung sind zu viele Unsicherheitsfaktoren: das Land Bayern soll 6,5 Millionen Mark bezahlen (und sagte bisher nichts Genaues zu), der Bund soll den gleichen Betrag stiften (diese Annahme beruht auf fröhlichen Hoffnungen), und schließlich sind da noch ein paar Millionen Mark, die aus der Glücksspirale erwartet werden. Kein Mensch weiß, ob die je eintreffen.

Eine rein hypothetische Rechnung also. Es scheint fast, als hätte der Stadtrat seinen Beschluß gefaßt, um den Schwarzen Peter von sich zu schieben. Das überdachte Stadion steht zwar als Wunschtraum da – ob es jemals verwirklicht wird, ist höchst zweifelhaft.

Denn der DFB wird mit der Vergabe der Weltmeisterschaftsspiele nicht auf Nürnberg warten wollen. Er kann sich nicht, wie die Stadt, in dem Teufelskreis fangen lassen, der sich um Bund, Staat und Städte dreht: die Städte warten auf Zuschüsse des Staates, der aber wartet ab, wieviel der Bund zahlen will. Er wird auch nicht darauf warten können, daß Nürnberg endlich, vielleicht erst 1973 nach den Olympischen Spielen, die Zuschüsse zugesagt werden, die es sich erhofft.

Der DFB wird in der Organisation der Fußball-WM 1974 kein Risiko eingehen wollen. Nürnberg aber ist für ihn ein solches Risiko. Damit dürfte die Stadt aus dem Kreis der WM-Austragungsorte ausgeschieden sein.

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