23. Oktober 1967: Starke Stromquelle
23.10.2017, 07:00 UhrDie Großkraftwerk Franken AG (GFA) hat sich das Riesenprojekt 245 Millionen Mark kosten lassen, um allen Wünschen ihrer Kunden vom Main bis zur Donau, von der Oberpfalz bis nach Schwaben gerecht werden zu können.
Eine weitere gute Nachricht für die Verbraucher verbreitete GFA-Vorstandsvorsitzer Professor Dr. Joseph Ipfelkofer: der Strom wird immer billiger; die Deutschen geben für ihn jährlich weniger aus als für kosmetische Artikel.
Viel Prominenz in feierlich dunklen Gewändern erwies dem Kraftwerk der Superlative die Referenz, das zwei Jahre nach dem Baubeginn schon den ersten nutzbaren Strom geliefert und seit Frühjahr seine volle Leistung von 400.000 Kilowatt erreicht hat. 1.750 Mann arbeiteten zeitweise mit Hochdruck auf der Baustelle. 200.000 Tonnen Beton und 8.000 Tonnen Betonstahl waren für das Bauwerk nötig, das auf einer Fläche von 25.000 Quadratmetern mit Aluminium verkleidet ist. Auf dem Gelände von 48 Hektar mußten sechs Kilometer Straßen und vier Kilometer Gleis mit 14 Weichen gebaut werden.
Jeder der beiden Kessel ist bei einem Gewicht von 8.000 Tonnen fast 70 Meter hoch; in ihm schlängeln sich Rohrleitungen von 250 Kilometer Länge. 100.000 Schweißnähte mußten hergestellt werden, ehe die Kessel zum ersten Male beschickt werden konnten. Das Speisewasser, das im Kessel in Dampf verwandelt wird, braucht 21 Minuten, um durch das gesamte Rohrsystem zur Turbine und zurück zum Kessel zu gelangen. Bei einem Kohle-Einsatz von 65 Tonnen in der Stunde fallen 3,5 Tonnen Schlacke an, die sich als Granulat für den Straßenbau und für die Steinfabrikation verwenden lassen.
Als neues Wahrzeichen ragt der Schornstein von Franken II in der Umgebung von Frauenaurach und Erlangen auf. In 202 Meter Höhe entläßt er die Abgase – hauptsächlich Wasserdampf und Kohlendioxid – ins Freie. Er hat unten einen Durchmesser von über 16 Meter, oben immer noch 8,6 Meter und kann bis zur Krone begangen werden. Die Rauchgase werden in Elektrofiltern zu 99,5 v. H. gereinigt, der Staub geht zum Kessel zurück und schmilzt dort zu flüssiger Schlacke.
„Bei unserem Kraftwerk auf der grünen Wiese haben wir großen Wert darauf gelegt, die Nachbarschaft nicht zu behelligen“, erklärte Vorstandsvorsitzer Prof. Dr. Ipfelkofer, der damit auf den Standort von Franken II anspielte. „Die Anlage hält mehr, als wir vor dem Bau versprochen haben“, erklärte er.
Ipfelkofer tröstete die Nachbarn mit eindrucksvollen Argumenten über die Nähe des Kraftwerks hinweg: elf Millionen Mark sind allein für die Lufthygiene aufgewendet worden („Meßinstrumente konnten nicht einmal feststellen, daß die Anlage arbeitet“); eine eigene Fernsehantenne auf dem Kessel des Blocks I sorgt für eine bessere Bildqualität in Erlangen als vorher; das Wasser geht reiner in die Regnitz zurück, als es hereinkommt („Der befürchtete Aschenregen und die Vergiftung von Mensch und Tier sind nicht eingetreten!“).
Als Aufsichtsratsvorsitzender wies auch Oberbürgermeister Dr. Urschlechter am Beispiel Nürnbergs auf den steigenden Stromverbrauch hin: noch 1939 ist die Stadt mit 67 Millionen Kilowattstunden ausgekommen, 1957 benötigte sie schon 211 und in diesem gar 615 Millionen Kilowattstunden. Trotzdem versicherte Dr. Urschlechter: „Wir können den Wirtschaftsraum versorgen!“
Ein dickes Lob von allen Seiten erhielt Architekt Wilhelm Schlegtendal, der diesen formschönen Bau in die Landschaft eingefügt hat. Geradezu schwärmerisch sprachen die Ehrengäste von einem „faszinierenden Anblick“ bei Sonnenuntergang.
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