23. Oktober 1968: Bald Leben im Gemeinschaftshaus

K. E.

23.10.2018, 08:19 Uhr
23. Oktober 1968: Bald Leben im Gemeinschaftshaus

© Ulrich

Hausfrauen, die darüber klagen, daß sie kilometerweit nach frischem Fleisch laufen müssen, gibt es inzwischen nicht mehr. Solche Unzulänglichkeiten wurden beseitigt. Weite Flächen zwischen den Häusern sind für die Kinder da, die ihre bunten Drachen steigen lassen. Depressionen gar, von denen die eingepferchten Bewohner des Märkischen Viertels in Berlin geschüttelt werden, sind den Menschen in Langwasser fremd. 90 Prozent von ihnen bereuen den Entschluß nicht, hinausgezogen zu sein.

Viel Grün, abwechslungsreiche Bebauung, Geschäftszentren in den einzelnen Nachbarschaften: langsam rundet sich das Bild, zu dem in einigen Jahren auch die U-Bahn gehört. "Es gibt keine Einkaufsmöglichkeiten", diese Kritik ist am häufigsten zu hören. Diplom-Volkswirt Joseph Haas, der Direktor der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Nürnberg als Planungsträgerin für Langwasser, zieht als Antwort eine lange Liste hervor. Sieben Lebensmittelläden, zwei Metzgereien, vier Bäckereien, 13 Geschäfte, die ihren Dienst als Reinigungen anbieten, eine Drogerie und zwei Apotheken sind vorhanden.

Vier Bank- und Sparkassenfilialen warten auf Kunden. Die Leute von Langwasser können Uhren, Schmuck und Blumen kaufen, zum Optiker, ins Restaurant oder ins Café gehen, sich in fünf Büros versichern oder von Fahrschulen unterrichten lassen. Die Bundespost ist da, der Masseur und die Tankstelle: insgesamt 41 Dienstleistungsbetriebe, die eine Fläche von 8900 Quadratmetern beschlagnahmen.

Kopfzerbrechen bereiten dagegen immer noch die Ärzte in dem Stadtteil, in dem einmal fast 65.000 Menschen wohnen werden. Zwar gibt es praktische Mediziner und Zahndoktoren – die Zahl der Praxen ist auf 14 angewachsen und wird demnächst auf 23 ansteigen –, aber es mangelt an Fachärzten. Wer glaubt, daß automatisch mit dem Bau der Räume die Ärzte kommen, irrt sich. Uns ist es noch nicht gelungen, einen Kinderarzt für Langwasser zu interessieren. "Allerdings hoffen wir, daß einer unter ihnen sein wird, wenn die im Bau befindlichen Praxen bezogen werden", hofft der WBG-Direktor, der im übrigen auf zwei andere Anziehungspunkte hinweisen kann.

Die Verhandlungen über das Hauptzentrum beim Gemeinschaftshaus – das Wahrzeichen soll ein "Wolkenkratzer" mit 30 Stockwerken werden – sind so weit gediehen, daß die WBG annimmt, noch in diesem Jahr das ganze Vorhaben vorstellen zu können. Nach dem Motto "Es hat wenig Zweck, über ungelegte Eier zu reden“, will Joseph Haas noch nicht mehr verraten.

Das Gemeinschaftshaus selbst aber geht seiner Vollendung entgegen. Der architektonisch gelungene Bau – er kostet 5,1 Millionen Mark – wird am 28. Oktober seiner Bestimmung übergeben. Er enthält einen Saal, der 500 Menschen aufnehmen kann, mehrere Gruppen- und Klubräume sowie ein Restaurant, in dem vor allem die Männer eines finden, was sie bisher noch in der Stadt suchen mußten: drei Kegelbahnen, auf denen sich im geselligen Kreis eine ruhige Kugel schieben läßt, und eine gemütliche Bierstube für den abendlichen Umtrunk mit Freunden und Nachbarn.

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