24. Januar 1968: Das Geheimnis um das Königstor
24.1.2018, 07:55 UhrDer Bund Deutscher Architekten (BDA) forderte gestern, daß die Bevölkerung unverzüglich in die Pläne für den Wiederaufbau des Altstadt-Rings zwischen Königs- und Marientorgraben eingeweiht wird. Er äußerte seine größte Sorge darüber, daß diese Angelegenheit im "nebulösen Dunkel" liegt, obwohl sie zu einer Sache aller Bürger gemacht gehörte.
Der BDA weiß zwar, daß Professor Gerhard-Günter Dittrich insgeheim Pläne für ein neues Kulturzentrum mit Ausstellungshalle und Geschäftsbauten schmiedet, fragt aber stahlhart: "Hat die Bauverwaltung bei diesem wichtigen Problem bisher geschlafen?"
Die Stadt will neue Wege gehen, um zu einem Kulturzentrum zu kommen, das sie sich eigentlich nicht leisten kann. Sie sucht daher einen Bauherrn für einen Teil der Grundstücke zwischen Königstor und Landesgewerbeanstalt, der ihr zu dem Geld verhelfen soll, das sie für anspruchsvolle Kulturbauten braucht. Es ist daran gedacht, Grundstücke zu verkaufen und den Erlös für ihre hochgesteckten Pläne bis 1971 zu verwenden.
Gewichtiges Wort mitreden
"Bei der derzeitigen finanziellen Belastung der Stadt ist die Initiative sehr zu begrüßen, neue Wege für diese Bauaufgabe zu suchen", erklären die drei Vorsitzenden des BDA (Hermann Scherzer, Wilhelm Schlegtendal und Walter Mayer) in einem Memorandum. Aber sie wollen mit ihrem Bund ein gewichtiges Wort mitreden, wenn über den Abschluß und zugleich wichtigsten Teil beim Wiederaufbau des Altstadt-Ringes entschieden wird. Nach ihren Vorstellungen sollen "am Eingang zur Altstadt Bauten entstehen, die mit den Mitteln unserer Zeit sinnfällig die Verbindung zwischen Tradition und heutigem Kulturstreben zum Ausdruck bringen".
Ohne ihrem Kollegen Professor Dittrich, der offensichtlich einen finanzkräftigen Bauherrn für Nürnbergs Schokoladenseite gefunden hat, direkt in die Parade zu fahren, sagen die BDA-Architekten: "Es ist letztlich Aufgabe der Stadtverwaltung und ihrer fachlichen Berater aus der Bürgerschaft, ein Bauprogramm aufzustellen. Sie kann diese Verantwortung nicht an Dritte delegieren, da es sich ausschließlich um stadteigenes Gelände handelt." Der BDA weist auf diese Pflicht der Stadt so eindringlich hin, "damit nicht aus Zeitnot die legitime Mitarbeit der Bürgerschaft an einem Objekt ausgeschaltet wird, dessen eindeutige Qualität das Anliegen jedes kulturbewußten Nürnbergers ist."
Die Architekten weisen den Verdacht weit von sich, sie seien möglicherweise erzürnt, weil in jüngster Zeit von einem städtebaulichen Wettbewerb für die Graben-Partie zwischen Königstor und Landesgewerbeanstalt nicht mehr die Rede ist, der in früheren Jahren vom Stadtrat ausdrücklich beschlossen worden war. "Der Wettbewerb ist uns nicht das Wichtigste, es geht uns vielmehr darum, daß an diese Stelle etwas hinkommt, für das wir alle geradestehen können", betont 2. Vorsitzender Wilhelm Schlegtendal.
Termin 1971
Eher schon sind die Männer vom BDA erbost, daß bisher noch nicht einmal im Kulturbeirat über die großen Pläne ein ernstes Wort gesprochen worden ist. "Dabei hängen wir am Termin 1971, weil ein solch bedeutendes Werk bei der augenblicklichen finanziellen Lage der Stadt nur unter Druck entstehen kann", meint Vorsitzender Hermann Scherzer. Er verweist auf Beispiele wie das Prinz-Karl-Palais in München, für das still und heimlich Pläne erarbeitet worden sind, die später von der Bevölkerung zu Fall gebracht wurden.
"Wenn eine Karte nicht sticht, dann ist es passiert", sagt Scherzer; sein Kollege Schlegtendal setzt dem hinzu: "Wir schreien nach einem Programm, das uns sagt, was überhaupt gebaut werden soll!" Die Stadt habe eine große Verpflichtung für ihren Haupteingang übernommen,nachdem sie schon Millionen in die Stadtmauer gesteckt hat.
Weil die Architekten nicht wissen, "wer was macht", sie aber die Stadt nicht aus ihrer Verantwortung dafür entlassen wollen, daß etwas für ihre Grundstücke geschieht, gipfeln alle Forderungen in dem einen Satz: "Wenn die Kulturbauten bis zum Dürer-Jahr fertiggestellt sein sollen, ist es allerhöchste Zeit, aus dem Stadium der sogenannten "Denkmodelle" herauszutreten und die Beratungen in den zuständigen Gremien der Bürgerschaftsvertretung aufzunehmen!"
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