24. November 1970: Troubadoure am Königstor

24.11.2020, 07:05 Uhr
24. November 1970: Troubadoure am Königstor

© Kammler

So und nicht anders soll es zugehen im „Alt-Nürnberg“, jenem Städtchen in der Stadt, das unter der Regie der „Ortog“, einer Tochter der Ausstellungsgesellschaft AFAG, von der Handwerkerjugend im Waffenhof am Königstor aufgebaut wird. Am 30. April 1971 öffnet der Markt die Tore. Mindestens drei Jahre wird er bestehen bleiben.

Denn nicht nur als romantischer Beitrag zum Dürerjahr will das von der historischen Mauer umschlossene Fleckchen verstanden sein, sondern auch als künftiger Anziehungspunkt für den Massentourismus.

Aus diesem Grunde legte gestern, als bei einer Pressekonferenz im Rathaus das Projekt gezeigt wurde, zuerst einmal Wirtschaftsreferent Dr. Wilhelm Doni seine grundsätzlichen Gedanken dar. „Wir wollen doch die Innenstadt mit Leben füllen. Das kann ein Farbtupfer sein, der dazu beiträgt“, meinte er und kündigte an, daß voraussichtlich einen Monat später die Nürnberger Bürger auf einem Flohmarkt auch die Kaffeetassen von Großmama verhökern können.

Tribüne im alten Stil

Nach dem berufsmäßigen Stadtrat schilderte Helmuth Könicke (AFAG) die Pläne. Der gewiefte Ausstellungsfachmann bedauerte sich anfangs selbst: „Der Mann, der so etwas macht, kann nicht ganz normal sein. Heute ist der 23. November. Vor uns steht ein langer Winter und ich mache mich für den 30. April 1971 stark.“ Dann erst ging er in Einzelheiten.

Da gibt es an der Westfront des Waffenhofs eine Tribüne im alten Stil, mit Sachs‘schen Schwänken auf den Brettern. Die beiden Seiten in Süd und Nord gehören den Schenken, in denen Bier und Frankenwein gezapft und Spezialitäten feilgehalten werden: „Backers“ aus geriebenen rohen Erdäpfeln, „Gwerch“ und ein Stück Stadtwurst.

Konkurrenz soll dem übrigen Wirtsstand nicht erwachsen, denn das Innere der Schenken wird nicht für „Hocker“ eingerichtet sein. Dr. Doni borgte sich aus USA das richtige Schlagwort für die Absicht, die dahinter steckt: „Drink and go“ – „Trink‘ und geh‘“, natürlich ins nächste Restaurant, drinnen in der großen Stadt. In der Mitte erheben sich die Häuschen, deren Lauben Handwerker- und Verkaufsläden beherbergen. Uhrmacher, Wachszieher, Goldschmiede und Schuhmacher sind nur eine kleine Auswahl aus dem großen Kreis der Bewerber.

Die Auslese selbst wird ein Ausschuß treffen, paritätisch besetzt von Stadt und „Ortog“. Auch Souvenirs kann man dort kaufen, jedoch nicht üblichen Kitsch, sondern geschmackvolle und zweckdienliche Dinge. Ein Handelshof mit offenen Kaffeefässern, die alte Wechselstube mit dem neuesten Tageskurs, ein Handwagen, der zum Obststand umfunktioniert wird: das gehört ebenfalls zu den Dingen, die wieder „Leben in die Bude bringen“ sollen.

Unternehmen ein Risiko

Ein Risiko bleibt das Unternehmen dennoch. „Wenn‘s in den ersten Tagen nicht einschlägt, wird es mühsam“, sah Könicke voraus, der sich mit der kleinen Stadt als sehr spendabel gezeigt hat.

Übrigens: auch der Teerweg durch den Waffenhof verschwindet. Nicht, weil der Bauausschuß mittlerweile ein Einsehen gezeigt hätte, sondern weil die Organisatoren auf eigene Kosten den modernen Bodenbelag durch Kopfsteinpflaster ersetzen lassen.

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