24. September 1965: Liebe zu großen Tieren

24.9.2015, 07:00 Uhr
Nicht ungefährlich, aber keine Sorge: Dieser Dompteur hat seine Zirkustiere im Griff.

© NN Nicht ungefährlich, aber keine Sorge: Dieser Dompteur hat seine Zirkustiere im Griff.

Sie heißen Edda und Theodor Hartmann, sind seit drei Jahren verheiratet und haben ihre Tiere so fest „im Griff“, daß man sie für ganz „alte Hasen“ hält. Aber das sind sie nicht – weder im einen, noch im anderen Sinn. Sie ist 25 Jahre alt und seit 5 Jahren im Fach. Er zählt 30 Lenze und begann seine Arbeit als Dompteur erst vor zwei Jahren. Denn Theodor Hartmann verdiente früher als Exportkaufmann sein Geld in Nürnberg. Erst eine Wette brachte ihm zum Zirkus. Er sollte 500 DM bekommen, wenn er ein Jahr in dieser Welt aushalten würde. Theodor Hartmann hielt aus!

Das Dompteurehepaar ist also ganz und gar nicht das, was in die Begriffe Zirkusfamilie, -tradition und -dynastie hineinpaßt. Sie sind Neulinge, die erst spät zum fahrenden Volk gestoßen sind – aber sie sind keine Anfänger in ihrem Beruf mehr. Durch Fleiß und unermüdliche Arbeit, mit Geschick, Einfühlungsvermögen und Tierliebe haben sie sich schnell emporgearbeitet. Edda (weil der Zirkus unter Californischer Nationalzirkus firmiert, hat man „Miß“ davorgesetzt) stammt aus Dessau und sollte einmal das Hotel ihrer Eltern übernehmen. Erst nach langem Drängen durfte sie bei einem Dompteur in die Lehre gehen: Tiere pflegen, füttern und studieren. Bei einem Gastspiel ihres ostzonalen Zirkus in der Bundesrepublik lernte sie Theodor kennen und kehrte bald darauf in den Westen zurück.

Theodor Hartmann hatte zu dieser Zeit den Beruf des Exportkaufmannes schon an den Nagel gehängt und Nürnberg den Rücken gekehrt. Er arbeitete als Requisiteur beim Zirkus Busch, wurde Oberrequisiteur, wechselte dann in das Reklamefach und war zuletzt Reklamechef beim Zirkus Barum. Die Ehe mit der jungen und mutigen Dompteuse gab dann den Ausschlag. „Wenn sich meine Frau mutig in der Manege mit großen Eisbären herumschlägt, kann ich schlecht daneben stehen und vor Angst zittern“, sagte sich der Nürnberger und begann seinerseits mit dem Studium der Dressur. Meisterdompteur Tromba beim Zirkus Carl Althoff gab ihm dabei wertvolle Hilfen und noch im gleichen Jahr trat Theodor Hartmann erstmals mit Raubtieren auf. Zunächst waren es Bären, dann eine Tigergruppe und jetzt, vor fünf Wochen, übernahm er die gemischte Löwen-Tiger-Dressur.

Theodor Hartmann dirigiert seine großen Raubtiere nur mit einem kleinen „Notwehr“-Stock. Das ist ein zusätzlicher Schwierigkeitsgrad, weil die Distanz zwischen Tier und Mensch geringer wird und die Großkatzen leichter einmal zuschlagen. Erst vor wenigen Tagen beim Gastspiel in Bamberg war das der Fall. Ein Löwe riß Theodor Hartmann gleich zu Beginn der Nummer mit einem Prankenhieb die linke Hand auf. Obwohl die Tiere sehr unruhig waren und die Wunde stark blutete, brachte der Dompteur die Vorstellung zu Ende. Wäre sie abgebrochen worden, hätte er hinterher Tage gebraucht, um von seinen Tigern und Löwen wieder als der Stärkere akzeptiert zu werden.

Das Dompteurehepaar will nun, nachdem die ersten großen Lorbeeren schon geerntet sind, beweisen, daß man auch ohne Familientradition im Zirkus Großes zu leisten vermag. Die Aussichten sind gut, denn die gemischte Raubtiergruppe ist noch jung und kann in dieser Form noch mehrere Jahre bestehen bleiben. Auch Frau Edda bereitet eine neue Dressur vor: sie will im Frühjahr vier junge Eisbären und vier Kragenbären in die Manege bringen.

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