25. August 1970: „Urschlechter“ geriet ins Schwimmen

25.8.2020, 07:00 Uhr
25. August 1970: „Urschlechter“ geriet ins Schwimmen

© NN

Nur einmal in naher Zukunft soll die TMS „Andreas Urschlechter“ vom gewohnten Kurs abweichen: im Jahr 1972, wenn die Nürnberger ihren Hafen aus der Taufe heben.

Über alle Toppen geflaggt, lag das Schiff gestern im Europaport von Rotterdam. Der werftfrische Tanker mit den stattlichen Maßen von 85 Metern Länge, 9,50 Metern Breite und 2,90 Metern Höhe, ließ seine Sirene von Zeit zu Zeit lautstark erschallen, als jauchze er in Vorfreude auf den Sekt bei der nahen Taufe. Erst mußte der große Kahn freilich einmal zeigen, was in ihm und seinen zusammen 1500 PS starken Motoren steckt.

Bei einer Probefahrt brauchte er jedoch keinen Vergleich mit dem Fahrgastschiff „Stadt Rotterdam“ zu scheuen, das die Nürnberger Taufgesellschaft mit Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter und Gattin Lieselotte, Wirtschaftsreferent Dr. Wilhelm Doni, den Vorsitzenden der SPD-und FDP-Stadtratsfraktion, Willy Prölll und Dr. Friedrich Hergold, samt anderen Gästen durch den größten Hafen der Welt schipperte.

Als die Sonne am höchsten stand, drückten sich die „Stadt Rotterdam“ und die „Andreas Urschlechter“ ganz eng aneinander. Die Festgesellschaft hüpfte vom einen zum anderen Schiff. „Ich taufe dich auf den Namen Andreas Urschlechter und wünsche dir allzeit eine gute Fahrt“, sprach die Gattin des Oberbürgermeisters genau um 12.47 Uhr und ließ eine Flasche Sekt am Bug des Tankmotorschiffes zerschellen.

Reeder Bernhard Dettmer mit der Mütze eines Fahrensmannes tat kund und zu wissen, weshalb das 124. Schiff seiner Flotte dazu ausersehen worden war, den Namen von Nürnbergs Oberbürgermeister auf Europas Wasserstraßen in alle Lande zu tragen. Er nannte Dr. Urschlechter einen Mann, der sich „weder von lebensfremden Hypothesen noch von wenig fachkundigen Kritikern hat abhalten lassen, für den Gedanken einer Rhein-Main-Donau-Verbindung von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer einzutreten“.

Dettmer gab das feierliche Versprechen ab, daß die „Andreas Urschlechter“ 1972 ganz sicher im Nürnberger Hafen ihre Anker werfen wird, in dem seine Reederei Umschlagsanlagen auf 340 Meter Länge an einem Kai bauen wird. Der Oberbürgermeister bedankte sich für die „hohe Ehre“, die er mit der ganzen Stadt Nürnberg teilen will. „Ich glaube“, so meinte er, „daß damit indirekt auch die Stadt geehrt wird, die es mir möglich gemacht hat, als Präsident des Deutschen Kanal- und Schiffahrtsvereines für den Europakanal zu werben.“ Dr. Urschlechter versicherte, daß seine Vaterstadt das Europaschiff mit seinem Namen gut betreuen wird – und fing damit gleich an: er überreichte einen Stich mit einer Nürnberger Ansicht für die Wohnung von Kapitän Karl Umscheid aus Dorfprozelten am Main und Lebkuchen für die dreiköpfige Besatzung.

Schon drei Nürnberg-Schiffe

Nürnberg ist nun schon mehrfach auf dem Wasser daheim. Drei Schiffe – ein Esso-Tanker, ein Fischdampfer und ein Dettmer-Trockentanker – tragen den Namen der Stadt. Ein Tanker für flüssige Ware ist nun auch nach ihrem Oberbürgermeister benannt. Scherzhaft meinte Conferencier Walter Böhm, ob es nicht langsam an der Zeit wäre, eine Oper „Die Meisterschwimmer von Nürnberg“ zu schreiben und mit dem Gesang der Lehrbuben auszustatten: „Grüner Klee und goldner Wein, unser OB schwimmt auf dem Rhein.“

Der Alltag sieht jedoch ernster aus. Während die „Andreas Urschlechter“ heute Kurs auf den Rhein nimmt, fährt der Oberbürgermeister nach Brüssel und später nach Antwerpen, um dort seine Kollegen zu treffen und vor den Industrie- und Handelskammern beider Städte über den Staatshafen Nürnberg zu sprechen.

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