25. Juni 1968: Eine Schlange im Auto
25.6.2018, 07:00 UhrEineinhalb Stunden später war das Reptil gefangen. Mit einem entschlossenen Griff packte ein Beamter eine fast 90 Zentimeter lange Ringelnatter, als sie aus dem aufgeschraubten Vordersitz kroch.
Die aufregende Geschichte hatte begonnen, als die Geschäftsreisenden Jürgen Forstmann (28) und Werner Labod (34) vom Mittagessen zu ihrem gegenüber den Phoebus-Lichtspielen am Königstor geparkten azurblauen Mercedes 250 S mit dem polizeilichen Kennzeichen LEV NP 49 zurückkehrten. Die beiden trauten ihren Augen nicht: auf den Vordersitzen ringelte sich eine Schlange unbekannter Art.
Die Autofahrer wandten sich an die Polizei, die Funkstreife rief den Tiergarten an. Von dort kam die Nachricht, man könne nichts tun, der Wagen möge zum Tiergarten gefahren werden, dann ließe sich entscheiden, ob die Schlange giftig oder harmlos ist.
Viele Neugierige am Wagen
Mit diesem Rat gab sich die Polizei jedoch nicht zufrieden. Der Leiter der Schutzpolizei, Polizeioberrat Horst Seitz, war Minuten später mit Streifenbeamten am Königstor. Polizeirat Hans Meister versetzte dem Reptil mit einem Spezialgerät, daß sich "Leibgardist" nennt, einen Elektroschock.
Daraufhin verkroch sich die Schlange ganz unter die Sitze. Da dem Tier am Königstor nicht beizukommen war und viele Neugierige am Wagen stehenblieben, brachten Polizisten im Funkstreifengeleit Auto samt Schlange in den Hof des Polizeipräsidiums. Dort nahmen Männer der Kfz-Staffel die Sitze heraus. Sie fanden eine Sonnenbrille und 50 Pfennig, sonst nichts. Schließlich mußte ein Mercedes-Spezialist gerufen werden, der den Fahrersitz ausbaute.
Noch wußte niemand, ob das Reptil gefährlich oder harmlos war, ob es sich tatsächlich zwischen den Stahlfedern gefangen hatte oder ob es durch die Öffnung des Heizungskanals weiter ins Wageninnere gekrochen war. Schließlich erspähten die Schlangenfänger ihre Beute im Sitz. Der Boden wurde abgeschraubt, die Jagd war vor dem erwogenen Einsatz von Preßluft zu Ende.
Werner Labod und Jürgen Forstmann hatten am Vormittag in einem Wald zwischen Roding und Amberg kurz gehalten. Sie sind der Meinung, daß sich ihr ungebetener Fahrgast bei dieser Gelegenheit eingeschlichen hat, entweder durch das offene Schiebedach oder durch die nur kurze Zeit geöffneten Türen.
Tiergarten nicht zuständig
Nachdem sich die Direktion des Tiergartens für den Fall nicht zuständig erklärt hatte, beschloß die Polizei, der Ringelnatter ihre Freiheit wiederzuschenken. In einem Karton mit der Aufschrift "Unterlagen für Verwarnungsblocks" soll sie im Streifenwagen in die Wälder bei Eibach gebracht werden und sich dort von den Schrecken einer Anhalterreise in einem schnellen Wagen erholen.
Die beiden Leverkusener mußten nach getanem Werk allerdings noch einige Zeit warten, bis ihr Fahrzeug wieder zusammengebaut war. Sie wurden bereits von Geschäftsfreunden in Bayreuth erwartet, denen sie nun ihre unglaubliche Schlangengeschichte erzählen können.
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