26. September 1970: Alarm funktioniert, aber wem nützt er?
26.9.2020, 08:21 UhrDie Überlebenschancen der übrigen Bevölkerung wären bei einem möglichen Atomschlag gering. Die Stadt verwaltet 27 Bunker, aber 16 davon sind noch nicht hergerichtet und zehn nur für einen kürzeren Aufenthalt gedacht. Optimal ausgebaut ist eigentlich nur der Katharinenbunker neben der Landesgewerbeanstalt.
Mehrzweck
Die Errichtung von Luftschutzbunkern ist Sache des Bundes. Die Stadt übernimmt lediglich die fertiggestellten Bauten und verwaltet sie. Der Leiter des Amts für Zivilschutz, Georg Schliermann: „Die Mittel aus Bonn fließen leider spärlich.“ Eine gute Gelegenheit, neue Schutzbunker zu schaffen, bietet jetzt der U-Bahn-Bau. Nürnberg wäre bereit, die 13-Bahn-Stationen dem Mehrzweck entsprechend anzulegen und bemüht sich in Bonn um Zustimmung und Zuschüsse. Luftschutzbunker wird man in Zukunft ohnehin hauptsächlich durch Mehrzwecknutzung unterirdischer Anlagen – zum Beispiel Tiefgaragen –gewinnen können.
So eindrucksvoll der Katharinenbunker auch ist – nur wenige Nürnberger möchten ihn von innen kennenlernen. Auf 1000 Quadratmetern müßten im Ernstfall 850 bis 1000 Menschen zusammenleben; zweieinhalb Meter unter der Erde, zusammengedrängt unter einer 180 Zentimeter dicken Stahlbetondecke.
Fernseh-Auge
Die Stahltüren werden wie von Geisterhand bewegt. Eine hydraulische Anlage ist notwendig, damit diese Türen so dicht und fest schließen, daß die Insassen vor atomarer Bestrahlung, Luftdruck und Hitzeeinwirkung sicher sind. Der Schleusenwart übersieht die Eingänge durch ein Fernsehauge und mehrere große Spiegel.
Die Notküche ist spartanisch eingerichtet. Es gibt nur ein einziges Küchenmesser für 1000 Personen – und zwar wegen der Panik, die man in einem Bunker immer wieder befürchten muß. Ein einziger kleiner elektrischer Kocher ist zur Aufbereitung von Baby-Nahrung installiert. Den übrigen Bunkerinsassen steht lediglich ein großer Heißwasserboiler in der Küche zur Verfügung. Walter Herppich, Sachbearbeiter für Bautechnik und Alarmdienst: „Dies ist kein Hotel. sondern die letzte Überlebenschance.“
Stunde X
Der Katharinenbunker wurde keineswegs für die „oberen Zehntausend“ gebaut. Die Straßenpassanten, die in der Stunde X hierher flüchten können, verbringen ihre Tage und Nächte bei künstlichem Licht mit 16 Stunden sitzend und acht Stunden liegend. In zwei Rettungsräumen stehen Sanitäter oder Krankenschwe-stern zur Hilfe bereit. Hier finden wir auch die Spezialdusche, unter der Leute, die radioaktive Strahlen aufgefangen haben, „entgiftet“ werden. Befindet sich unter den Schutzbedürftigen auch ein Arzt, dann wäre sogar eine Blinddarmoperation denkbar. Herppich: „Heißes Wasser und Rasierklingen hätten wir da.“
Selbst an die Entbindungsausrüstung hat man gedacht; für Kinder, die ausgerechnet in einem Luftschutzbunker das Licht der Welt erblicken sollen. Für je 50 Personen ist eine Wasch- und Toilettenanlage vorgesehen.
Personal gesucht
Die Vorräte, Öl und Trinkwasser reichen vier Wochen. Der Bunker verfügt über einen eigenen Tiefbrunnen und Chlor zum Zusetzen. Eine Heizung dürfte kaum je notwendig sein. Maschinenhitze und Körperwärme der Insassen im Bunker machen viel mehr eine Kühlanlage notwendig. Die Maschinenanlagen für Frischluft, Beleuchtung, Abwasserbeseitigung usw. sind jeweils doppelt vorhanden. Hinzu kommen Dieselaggregate und Batteriesätze für den Notfall. Die Stadt sucht jetzt dringend Bunkerpersonal. Im Ernstfall würden 18 Mann notwendig sein, um das Leben unter Tage aufrechtzuerhalten: Bunker- und Schleusenwarte, die sich mit den Maschinen auskennen, sowie Sanitäter und Küchenhilfen, die sich zum Teil auch aus den Zufluchtsuchenden rekrutieren könnten.
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