27. Juni 1968: Presse-Elf gab sich recht siegessicher

NN

27.6.2018, 07:00 Uhr
27. Juni 1968: Presse-Elf gab sich recht siegessicher

© Ulrich

Die Presse-Elf hat damit den von Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter gestifteten, überdimensionalen Fußballstiefel zum dritten Male in ihren Besitz gebracht.

Die Journalisten wollten offenbar einmal beweisen, daß sie die Leistung anderer nicht nur mit spitzer Feder kritisieren können, sondern selber einiges vom Fußballhandwerk verstehen. Das Sprücheklopfen haben sie offenbar von den Club-Schlachtenbummlern gelernt. Mit Transparenten wie "Heute waschen wir den Pelz auch von Stadtrat Willy Prölß", "Unser Stadtrat im Talar, der kriegt Haue, das ist klar" und "Warum spielt das Schwergewicht, der OB heut‘ wieder nicht" betraten sie die Fußballarena. Die Stadträte dokumentierten dagegen ihre Würde auch vor großen Fußballereignissen und erschienen im Talar.

Vielleicht hoffte der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, Willy Prölß, darauf, daß Schiedsrichter Max Morlock auf seinen Bestechungsversuch eingehen würde: "Max, wenn wir zufällig ein Tor vorneliegen, hörst auf", wollte er dem Idol der Nürnberger Fußballjugend unlauteres Spiel schmackhaft machen. Nun, er konnte nicht ahnen, daß der Kapitän der Presseelf, Walter Schatz (NN), schon mit viel stärkeren Verlockungen aufgewartet hatte: "Für jedes Tor, das du für uns schießt, bekommst du eine Halbe!"

Am Kabinenausgang lud ein 50-Liter-Faß der Brau-AG geradezu zu einem stärkenden (?) Schluck ein, aber beide Mannschaften widerstanden dieses Mal im Gegensatz zu früheren Jahren der Versuchung. Alle Akteure wollten der Prominenz – man sah auf der Tribüne unter anderem Oberbürgermeister Dr. Urschlechter, Bürgermeister Franz Haas (er blies kräftig in eine Trompete – für wen, braucht nicht gefragt zu werden), die Fraktionsvorsitzenden der CSU und FDP im Rathaus, Dr. Oscar Schneider und Leo Flach sowie den Vorsitzenden des FCN, Walter Luther – beweisen, daß man auch mit zwanzig und mehr Pfund Übergewicht ein durchaus ernstzunehmender Fußballer sein kann. Immerhin muß zur Ehre einiger Kicker auch gesagt werden, daß sie genauso ausgemerg-(k)-elt aussehen wie die Clubspieler.

Der Stadtrat wußte offenbar, daß seine Kondition nicht mehr für die volle Distanz ausreichte und wollte die Journalisten überrumpeln. Schon in der ersten Minute wurde Presse-Torhüter Winfried Böhm nach einem feinen Duett zwischen Erich Ziegler und Karl Schuster (beide SPD) zu einer wahren Glanztat gezwungen. Doch die Presse konterte eiskalt und ging nach Vorlage von Eberhard Stanjek durch Paul Hettrich 1:0 in Führung.

Die Geschichte der übrigen Tore ist schnell erzählt: 2:0 durch Bracke noch vor der Halbzeit, dann später 3:0 durch Hettrich, 3:1 durch Förster (hier hoffte die Ratself und der Anhang noch einmal auf eine Wende; Anfeuerungsgeschrei wurde laut: "Förster vor, noch ein Tor"), aber Bracke erzielte noch drei Treffer, denen die Rathauself nur noch das 2:5 – nach Morlock-Paß – entgegensetzen konnte.

27. Juni 1968: Presse-Elf gab sich recht siegessicher

© Ulrich

Bliebe zum Rahmen noch zu sagen, daß Dieter Bracke sich nach seinen Torerfolgen eine Halbe genehmigte, zwei fußballbegeisterte Buben sich darum stritten, ob nun der Cebinac dabei sei ("Geh, die ham doch blouß die Nummern, aber das sind doch keine Cebinacen", endete das Rededuell) und während des Spiels plötzlich der Schlager "Es ist vorbei Delilah" ertönte. Nun, das sollte nicht als böses Omen gewertet werden: gerade nach der Niederlage sollten die Stadträte versuchen, es den Journalisten heimzuzahlen.

Oberbürgermeister Dr. Urschlechter überreichte jedenfalls ohne Neid der siegreichen Mannschaft den Fußballstiefel, den die Ratself bisher erst einmal gewonnen hat, sowie "Gold"-Plaketten und Flaschen mit hochprozentigem Alkohol. Für die Verlierer fielen immerhin auch noch "Silber"-Plaketten ab.

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