Stadtteil wurde über Nacht zu begehrtem Objekt
27. Mai 1971: Phantasiepreise für Mögeldorfer Boden
27.5.2021, 07:30 UhrArchitekten, Makler und große Bauträger umwerben die oft in brüchigem Mauerwerk wohnenden Hausbesitzer. Doch ihr Interesse gilt nicht den Gebäuden, sondern allein den Grundstücken. Grundstücke, auf denen bald schon moderne Terrassen-Wohnanlagen stehen sollen mit einem Ausblick, den es nicht oft gibt in der Stadt: mit dem Blick auf den Wöhrder See. Der Wöhrder See soll in seiner zweiten Ausbaustufe nach Osten bis zur Flußstraße aufgestaut werden. Diese Planung war vor allem für die großen Bauträger gleichsam der Startschuß, sich in Mögeldorf rechtzeitig am künftigen Seerand festzusetzen.
Die Folge des geplanten Erholungs- und Freizeitgebietes Wöhrder See: in keinem anderen Stadtteil sind derzeit so viele Grundstücksverkäufe zu beobachten wie in Mögeldorf. Und es gibt eine zweite Folgeerscheinung, die ebenfalls nicht lange auf sich warten ließ: die Bodenpreise zogen an. So mancher sieht nun die Chance seines Lebens, eine abgewirtschaftete Bude mit einigen hundert Quadratmetern Grund zu Phantasiepreisen loszuwerden. Und auch, wer nur ein sehr schmales Stückchen in dem begehrten Kuchen sein eigen nennt, verzagt nicht, wenn er weiß, daß hier eine völlig neue Bebauung in großem Stil erfolgen soll und dazu größere als die jetzt vorhandenen Parzellen nötig sind. So entstehen Schikanierstreifen: der Besitzer verlangt mehr Geld, als die winzige Fläche wert ist. Zähneknirschend sehen dies die Bauträger, die das winzige Grundstück gerade noch zur Abrundung ihres Areals brauchen, und ebenfalls zähneknirschend sieht es das Baureferat der Stadt, das durch solch spekulatives Verhalten die in diesem Gebiet so wichtige Stadtsanierung für gefährdet hält.
Otto Peter Görl appelliert deshalb an die Mögeldorfer, zu angemessenen und nicht zu expandierten Preisen zu verkaufen. Der Baureferent hat mit Mögeldorf zweifellos seine Sorgen. Er möchte den jetzigen Fleckerlteppich in eine städtebauliche Dominanz umwandeln. Dies aber, und da dreht sich alles im Kreis, ist nur möglich, wenn in großem Stil geplant werden kann. Das geht nur, wenn zusammenhängende Parzellen gekauft werden können und die Zahl der Bauträger möglichst klein bleibt, mit denen dann eine einheitliche Bebauung ausgehandelt werden kann.
Die Bauträger schließen mit den Mögeldorfer Haus- und Grundbesitzern deshalb meist nur Vorverträge ab, zahlen ein Handgeld und versuchen jetzt, mit ihren Wünschen beim Baureferat auf Gegenliebe zu stoßen. Solange aber auch „kleine Bauherren“ dabei sind, kann nicht einheitlich geplant werden, kommt es zu keiner großen Linie. „Wenn Sie mich nicht so bauen lassen, wie ich will, dann stelle ich eben vier Villen auf das Grundstück; die verkaufe ich dann schon“, ist eines von den Druckmitteln, mit denen taktiert wird, weiß Baudirektor Kohler, Chef des Planungsamtes, zu berichten. Er weiß auch von anderen Spekulationen: nicht selten kommen Besucher, lassen sich Planungen erklären und kaufen dann im entsprechenden Gebiet einen Acker, den sie wenig später der Stadt oder einem Bauträger zu überhöhtem Preis anbieten. Dagegen gibt es, zumindest im Augenblick, kein Mittel. „Darum gehört der Boden kommunalisiert“, sagt Baureferent Görl. Er findet es nicht in Ordnung, daß einige Wenige an Projekten verdienen, die der Bevölkerung ganz Nürnbergs zugute kommen sollen. Aber nicht nur der Wöhrder See, auch die Verdichtung der lockeren Bauweise im Norden Mögeldorfs liegt seiner Meinung nach im Interesse der ganzen Stadt: jeder soll die Möglichkeit haben, hier eine Wohnung zu beziehen. Das setze aber einen Bebauungsplan und eine Bodenordnung am Seeufer voraus – was auf freiwilliger Basis kaum zu erreichen sei.
Zehn Millionen für Planen nach Belieben: Diese achtstellige Summe müßte die Stadt am Mögeldorfer Seebad investieren. Bliebe der mögliche gesetzliche Eingriff, aber den kann sich die Stadt aus finanziellen Gründen nicht leisten: sie müßte etwa zehn Millionen Mark investieren, um am Mögeldorfer Seerand (bis zur Nordseite der Mögeldorfer Straße) nach Belieben planen zu können. „So sehr ich die Umlegung wünsche – ich kann sie im Stadtrat nicht vertreten“, resigniert Görl. Er hofft deshalb auf den Kompromiß, der aus dieser Situation angestrebt werden muß und der ein Höchstmaß an Individualität bieten soll. Dies entweder in der erwähnten terrassenförmigen Bauweise (für die es schon Projekte gibt) oder in gegliederter Kettenbebauung. Sozialwohnungen allerdings, dies machen die Bodenpreise unmöglich, wird es am Wöhrder See nicht geben.
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