29. April 1970: Frau Goppel war in Nürnberg unterwegs

Reiner Weiß

29.4.2020, 07:00 Uhr
29. April 1970: Frau Goppel war in Nürnberg unterwegs

© Fischer

Der Kaffee war schwarz, die Kindergärten evangelisch und katholisch, wie der Proporz es befiehlt. Einmal angenommen, es gäbe in Nürnberg auch mohamedanische, buddhistische und hinduistische Kindergärten? Dann hätte diese würdige und heitere Dame ein paar Schokoladenriegel („mit ganzen Nüssen“) mehr einstecken müssen, um sie an die Kleinen zu verteilen.

Das Programm war üppig wie die berühmte Standardreise für amerikanische Touristen, „Europa in acht Tagen“, und ein ganz klein wenig erinnerte das Ganze an Wochenschauaufnahmen von Queen Elizabeth, die exotische Dominions bereist. Die einheimischen Häuptlingsgattinnen erwiesen Frau Goppet ihre Reverenz und begleiteten sie im Rundfahrtbus. „Sehr schön“ und auch „sehr sehr schön“ fand die First Lady unter dem Rautenbanner gar manches in St. Sebald, St. Lorenz und in der Frauenkirche. Aber die Begleiter signalisierten mit entschuldigenden Lächeln den bereitwilligen Kirchenführern „nur eine Viertelstunde“.

Da konnte Frau Dr. Maria Krimmenau in der Frauenkirche dem abziehenden Grüppchen nur rasch „da hinten von Veit Stoß noch ein Relief“ nachschicken, bevor sich Frau Goppel mit einem herzlichen „Vergelts Gott“ von Kaplan Hans Endres verabschiedete. Den Rest der kunsthistorischen Erläuterungen durfte dann eine Dame anhören, die sich der Gruppe so zwanglos beigesellt hatte, daß man sie wohl für eine Prominentengemahlin halten durfte. Aber nein: Frau Anna Schäfer aus dem Westerwald war ganz zufällig angereist, um das Sebaldusgrab zu sehen – „da es doch im Jahre 1943 wegen der Bomben zugepackt war“.

Die 93jährige Frau Schäfer ist übrigens der erste potentielle Dürerjahrtourist. Sie will 1971 wieder nach Nürnberg kommen. „Ganz bestimmt.“ Langwasser hat Frau Goppel beeindruckt – und, „daß Nürnberg nach der Reformation keinen Bildersturm erlebt hat“.

Zu welchem Nürnberg-Bild mag sich der Eindruck von zwei Kindergärten, drei Kirchen, einem Frankenzentrum, einer Spielzeugausstellung und einer Meistersingerhalle in der Erinnerung der „Frau Ministerpräsident“ quantifizieren? Wird es sie härmen, daß Pfarrer Wenzel seinen evangelischen Kindergarten nicht so schön fand wie den katholischen? Aber nein: „Beim Kaffee haben wir so gelacht...“