3. Oktober 1968: Umstrittene Pavillons

W. S.

3.10.2018, 07:00 Uhr
3. Oktober 1968: Umstrittene Pavillons

© Kammler

Die CSU-Fraktion beantragte, einen Pavillon mit vier Zimmern an der Maiacher Straße aufzustellen, damit den Kindern aus der Siedlung Marterlach und aus der Werderau längere Schulwege erspart bleiben; sie forderte einen zweiklassigen Pavillon für die Schule Heroldsberger Weg 42 a, um dort dem „Schichtunterricht“ Einhalt zu gebieten. Die SPD wiederum wünschte bewegliche Räume für acht Klassen in der schnellwachsenden Nachbarschaft U des neuen Stadtteils Langwasser.

Bei der Diskussion über die beiden CSU-Begehren zeigte sich Schul- und Kulturreferent Dr. Hermann Glaser wenig geneigt, zu den Pavillons in Langwasser und Eibach noch weitere bewegliche Klassenrämne anzuschaffen, „weil wir dafür das Geld ausgeben, das wir für feste Schulhäuser brauchen“. Die Zuhörer warteten daher gespannt, was er gegen den Wunsch der SPD-Fraktion vorbringen wird – allerdings vergebens, denn die Debatte über die Schulen am Heroldsberger Weg und in Langwasser wird erst im Schul- und Kulturausschuß weitergeführt.

CSU-Stadtrat Georg Holzbauer setzte sich für die Kinder aus der Marterlach und Werderau ein, die bis in die Schule an der Gibitzenhof- und Regenbogenstraße gehen müssen. Gerade für Kleine sei der Weg dorthin recht weit. Sein Kollege Johann Streiberger sprang ihm mit der Bemerkung bei, daß die Zahl der Schülerunfälle von Jahr zu Jahr steige. Im Falle des Heroldsberger Wegs erklärte Dr. Sieghard Rost: dort fehlen zwei Zimmer, so daß die Kinder zuerst: in sanitär unzulänglichen Räumen des alten Schulhauses untergebracht worden sind (das Schul- und Kulturreferat hat dies nicht länger geduldet) und neuerdings in Schichten unterrichtet werden.

In beiden Fällen wollte Dr. Glaser nicht von einem Notstand gesprochen wissen. Längere Schulwege müßten nicht nur die Kinder in der Werderau, sondern auch in anderen Stadtteilen in Kauf nehmen: am Heroldsberger Weg habe nur nicht jede Klasse ihr Stammzimmer, jedoch würden alle Klassen am Vormittag unterrichtet. Die Probleme im Süden sollen mit einem Neubau behoben werden, der in der Dringlichkeitsliste ganz nach oben gerückt ist und 1971 schon bezogen werden kann. Im Norden bieten sich als Ausweichmöglichkeit drei leerstehende Zimmer in der Schafhof-Schule an, die „aus sozialpsychologischen Gründen“ bisher nicht belegt worden sind.

Abgesehen von anderen Überlegungen sah Dr. Hermann Glaser das Problem der Pavillons grundsätzlich: wo immer ein Engpaß entstehe, handle es sich nicht um mangelnde Planung. Vielmehr müsse in jedem Falle abgewogen werden, wo die finanziellen Mittel (die knappen finanziellen Mittel) am besten und wirksamsten angelegt werden können. „Es ist gefährlich, von Fall zu Fall mobile Klassenzimmer zu fordern“, meinte der Referent, „denn das Geld, das für sie ausgegeben wird, fehlt beim Bau von festen Schulen!“ Dr. Friedrich Bergold pflichtete ihm namens der FDP-Fraktion bei und erklärte: „Eine Schulraumnot besteht nicht. Es wäre begrüßenswert, wenn der Neubau beschleunigt werden könnte, sofern dies die finanziellen Möglichkeiten zulassen.“

Die CSU, die sich als Vorkämpfer der Pavillons betrachtet, sah ihre Felle im Falle beider Anträge davonschwimmen. Sie wartete deshalb mit Aufmerksamkeit auf die Antwort des Referenten, die dem Wunsch der SPD nach beweglichen Räumen für acht Klassen in der Nachbarschaft U folgen mußte. Stadtrat Werner Hübner hatte den Wunsch seiner Fraktion damit begründet, daß die Zahl der fertiggestellten Wohnbauten dort Monat für Monat wächst (3.000 Menschen leben bereits in „U“) und allein im letzten Jahr 200 Schüler in die Volksschulen an der Bauernfeindstraße und am Neptunweg hinzugekommen sind. Die ohnehin überfüllten Langwasser-Schulen könnten keine Kinder mehr aufnehmen.

Dr Glaser entging dem drohenden Gewissenskonflikt, zur CSU „Nein“, zu seiner eigenen Fraktion aber möglicherweise „Ja“ sagen zu müßen, mit den Bestimmungen der Geschäftsordnung. Er beantragte, die Angelegenheit im Schul- und Kulturausschuß weiter zu besprechen. Dort werden in den nächsten Wochen die Meinungen pro und kontra Pavillon aufeinanderprallen.

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