4. April 1969: Drei Richter verfolgten einen Dieb

F. H.

4.4.2019, 07:00 Uhr
4. April 1969: Drei Richter verfolgten einen Dieb

© Ulrich

Der Mann schlich sich in den Abendstunden in das Löheschulhaus in der Zeltnerstraße, wo die Beamten gerade Volleyball spielten. In der Umkleidekabine leerte der wagemutige Dieb die Mantel- und Jackentaschen der gesetzeskundigen Freizeitsportler. Im letzten Augenblick machte jedoch Erster Staatsanwalt Dr. Huschka dem ungebetenen Gast einen Strich durch die Rechnung: der Ankläger im Schäfer-Prozeß entdeckte den Hilfsarbeiter, der daraufhin ins Freie stürzte. Von zwei Land- und einem Amtsgerichtsrat in Turnschuhen und kurzen Hosen verfolgt, wurde der Täter in der Sandstraße gefaßt und der Kriminalpolizei übergeben.

„Das kommt auch selten vor, daß wir der Polizei einen Dieb frei Haus liefern“, schmunzelte einer der bestohlenen Staatsanwälte. Der auf frischer Tat ertappte Hilfsarbeiter konnte allerdings nicht ahnen, welch prominente und „einflußreiche“ Opfer er sich ausgesucht hatte. Seit Jahren treffen sich die Richter und Staatsanwälte einmal in der Woche zu einer gemeinsamen Sportstunde. Martin K. konnte ungehindert in das Löheschulhaus eindringen, weil die Tür nicht verschlossen war.

Während die Beamten den Flug des Volleyballs verfolgten, gelangte der Hilfsarbeiter unbemerkt in die Umkleidekabine. Dort klaute er in aller Ruhe eine Brieftasche, zwei Führerscheine, ein Päckchen Zigaretten, einen Bundespersonalausweis, einen 10-DM-Schein und den Dienstausweis eines Staatsanwaltes sowie ein Notizbuch zusammen. Als der Täter schon wieder den Rückzug antreten wollte, vereitelte Erster Staatsanwalt Dr. Huschka diesen Plan.

Der bekannte Jurist hatte sich verspätet und war als letzter zu seinen Sportkollegen gestoßen. Auf dem Weg in die Umkleidekabine entdeckte er eine dunkle Gestalt. Sofort rief er Verstärkung heran. Die Verfolgung des Eindringlings rollte wie am Schnürchen ab: die Landgerichtsräte Wolfgang Stößel und H. Schrotberger sowie Amtsgerichtsrat Liepold erwiesen sich als die schnellsten Sprinter unter den Richtern und Staatsanwälten: das Trio stoppte in der Sandstraße die Flucht des Hilfsarbeiters.

Das dreiste Vorhaben des Mannes nahmen die Robenträger mit Humor auf. Landgerichtsrat Stößel (33), ob seines Erfolges an der Ganoven-Front von Kollegen gefeiert, sprach‘s gelassen aus: „Ich frage mich, was dieser Mensch bei uns wollte, da bei Richtern und Staatsanwälten sowieso nichts zu holen ist.“

Keine Kommentare