5. Februar 1968: Rathaus und Flughafen gestürmt

5.2.2018, 07:00 Uhr
5. Februar 1968: Rathaus und Flughafen gestürmt

© Gerardi

Draußen am Marienberg sorgte die Luftflotte des Prinzen Karneval für tollen Wirbel. Sie ließ in zwei großen Firmenmaschinen Seine Totalität Valentin I. und Ihre Lieblichkeit Gerlinde I. „in die Luft gehen“ und verlieh ihren Sonderorden „Wider die Neidhammel“ dem Chamer Landrat Dr. Max Fischer, der – so flachste Oberstaatsanwalt Hans Sachs als erster Träger dieser Auszeichnung – „Cham, sah und siegte“.

Wo sonst die Stadträte bei ihren Sitzungen große Reden halten, regierten am Samstag die Rheinländer. Ihre Karnevalsvereinigung feierte heuer 40. Geburtstag. Grund genug für Oberbürgermeister Dr. Urschlechter, die Aktiven zu empfangen.

5. Februar 1968: Rathaus und Flughafen gestürmt

© Gerardi

Alfred Zölls, der Vorsitzende der Luftflotte, hatte sich auf den Pegasus geschwungen. In wohlgesetzten Versen rühmte er die Taten des Chamer Landrates und Landtagsabgeordneten Dr. Max Fischer, der als heimlicher bayerischer Außenminister gilt und wegen seiner guten Kontakte zur benachbarten Tschechoslowakei höheren Orts zuweilen Neid geerntet hat.

„… unser Ritter des Jahres“

„Dieser Mann, das war uns klar, ist unser Ritter dieses Jahr“, rezitierte Alfred Zölls und mahnte: „Deshalb sage ich aufs neu, Landrat bleib hart und bleib dir treu. Laß alle Hammel doch mißgönnen, was sie dir niemals nehmen können!“ Unter dem Beifall der vielen Gäste im Flughafen-Restaurant dekorierten die Narren den MdL (Max, der Landrat), der als Sportflieger zuerst mit dem Flugzeug hatte erscheinen wollen, dann aber wegen der „Waschküche“ das Auto vorgezogen hatte.

Dr. Max Fischer bedankte sich ebenfalls in launigen Reimen und pochte auf seine guten Beziehungen zur nordbayerischen Metropole. Schließlich hatte er in seiner Jugend das Dürer-Gymnasium besucht und besitzt die Ehrenmitgliedschaft der Fürther Landsmannschaft in Nürnberg. Er mußte sich dabei kurz fassen, weil der Flugplan drängte. Unentwegte Zaungäste winkten, als das Prinzenpaar gegen 14 Uhr ins Flugzeug kletterte und mit seinem Anhang die schon zur Tradition gewordene Reise über den wolkenverhangenen Himmel antrat. Während im Flughafen-Restaurant ein buntes Karnevalstreiben abrollte, gaben Sportflugzeuge des Aero- und Fliegerclubs den närrischen Regenten den ihnen gebührenden Geleitschutz.

In voller Stärke waren auch die Faschingsmatadoren von der Rheinländer-Vereinigung angetreten, als sie am Samstagvormittag zum Sturm auf das Rathaus ansetzten. Flankiert von Bürgermeister Franz Haas und den Fraktionsvorsitzenden Willy Prölß (SPD) und Dr. Oscar Schneider (CSU) empfing der Oberbürgermeister aber lächelnd die Narreninvasion. „Sie haben rheinischen Humor an die Pegnitz gebracht“, freute sich Dr. Andreas Urschlechter. Er bescheinigte der Gesellschaft, daß sie in den vier Jahrzehnten ihres Bestehens „ein echtes Stück Nürnberg“ geworden ist. Das Stadtoberhaupt ist überzeugt davon, daß Franken und Rheinländer künftig noch enger zusammenrücken. „Die Zeit ist nicht mehr allzu fern, und ein Linienschiff wird von Nürnberg nach Köln tuckern“, prophezeite der Oberbürgermeister.

Einen glanzvollen Höhepunkt erlebte das Rheinländer Jubiläum gestern nachmittag mit einer Prunksitzung in den Humboldtsälen, wo Humor und Frohsinn aus der Bütt sprudelten. Werner Kothe und Manfred Rech stellten sich als „Tünnes“ und „Schäl“ vor, Fritz Meyer (Würzburg) erwies sich als ein treffsicherer Cowboy, die „Gleisschleifer“ vom „Trichter“ nahmen Kommunal- und Landespolitik aufs Korn, die Peterlesboum begleitete wie immer rauschender Beifall und der Redefluß von Hans-Joachim Schumacher (Kitzingen) bestätigte, daß dieser Vollblutkarnevalist nicht umsonst als „unterfränkisches Maschinengewehr“ bezeichnet wird.

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