5. Februar 1971: Protestmarsch vor das Rathaus

5.2.2021, 07:11 Uhr
5. Februar 1971: Protestmarsch vor das Rathaus

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Mit dieser spontanen Aktion wollen die Jugendlichen erreichen, daß der Schulausschuß in seiner heutigen Sitzung die Interessen der Peter-Vischer-Schule berücksichtigt.

Um elf Uhr hatten sich sämtliche Klassen auf dem Pausenhof der Schule versammelt. Zahlreiche Plakate ragten in die Luft. Inhalt: „Dürer-Jahr ohne Schulräume“ oder „Schüler sitzen aufeinander“. Gegen 11.30 Uhr schob sich die Masse der Schüler zum Ausgang des Hofes. Vergeblich versuchte Schulleiter Karl Lang, den Strom aufzuhalten. Der spontane Demonstrationszug hatte begonnen.

Während das Gros des Zuges sich auf dem Hauptmarkt versammelte, gingen drei Schulsprecher ins Rathaus, um eine Bittschrift zu überreichen. Beim Oberbürgermeister, beim Schulreferenten und der SPD-Fraktion klopften sie vergebens an die Tür; es war Mittagspause. Nur Georg Holzbauer von der CSU empfing die Delegation. Er teilte Zigaretten aus und hörte sich ihre Argumente an. Dann versprach er, auf der heutigen Ausschußsitzung für die Interessen der Peter-Vischer-Schule zu plädieren.

Was hatte den Protest ausgelöst? Bei den Haushaltsberatungen des Stadtrates waren 2,5 Millionen DM zur Errichtung von mobilen Klassenzimmern (Pavillons) genehmigt worden. Die Schulverwaltung will die den Realschulen zugeteilten acht Klassenzimmer nur einer einzigen Schule, der Realschule 2 in der Merseburger Straße, zukommen lassen. Diese Schule ist zwar am ärgsten von der Raumnot betroffen. Doch ausschließlich ihr alle Mittel zuzuweisen, empfindet die Peter-Vischer-Schule als ungerecht, denn nun wird ihre eigene Raumnot immer erdrückender.

Was die einseitige Förderung für die Peter-Vischer-Schule bedeuten würde, erläuterte uns Schulleiter Direktor Lang: „Damit werden wir zum totalen Schichtunterricht gezwungen. Mit den fortschrittlichen Bemühungen der letzten Jahre wäre es aus und vorbei. Ich muß die Leistungs- und Neigungskurse, sowie die Ganztagesgruppe wieder auflösen.“

Zur Zeit schickt die Peter-Vischer-Schule ihre Jugendlichen zum Turnen in fünf umliegende Schulen. Schon 1964 hatte die Stadt ihr eine eigene Turnhalle versprochen. Bis heute wurde sie nicht gebaut. Schon 1969 hatte der Stadtrat der Peter-Vischer-Schule vier Pavillon-Schulräume zugesprochen. Und nun soll die Schule am Bielingplatz wieder leer ausgehen. Das war für den Schülerausschuß zuviel. Er beschloß zu demonstrieren.

Die Schülersprecher Günther Oberreißer. Angela Fritsch und Heinz Ziegler setzten sich über die Anweisung der Schulleitung, beim Protest den Pausenhof nicht zu verlassen, hinweg. Es war ein gefährliches Unterfangen. Deshalb war die schlimmste Sorge der drei, beim Marsch vor das Rathaus könnte etwas passieren. Doch 700 Jugendliche verhielten sich mustergültig. Einige der den Demonstrationszug begleitenden Polizeibeamten sagten zu Oberstudiendirektor Hans Welk: „Diese Disziplin war großartig!“

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