6. August 1970: 65.000 feierten den Club enthusiastisch
6.8.2020, 07:00 UhrSie sahen ein Spiel, das in seiner Turbulenz und Hektik, vor allem in der zweiten Halbzeit, nicht mehr zu übertreffen ist. Die merkwürdigerweise so vielen Optimisten, die vor dem Spiel schon einen Clubsieg vorausgesagt hatten, haben recht behalten. Durch Treffer von Stegmayer in der 18. und durch Kröner in der 32. Minute verschaffte sich der Club bis zur Pause einen Vorsprung, dem die Münchner nachher nur noch nachlaufen konnten. 20 Minuten nach dem Wechsel hatten sie die halbe Wegstrecke hinter sich und auf 2:1 durch ein Tor von Mrosko verkürzt – weiter reichte es nicht mehr.
Was bedeutete es dabei, daß die Bayern in der zweiten Hälfte der Begegnung sich gewissermaßen förmlich festgefressen hatten in der Clubhälfte, daß sie schließlich sogar Chance auf Chance herauszuspielen und -kämpfen vermochten, daß es mehrmals aussah. als wäre der Ausgleich nicht mehr zu verhüten – Welz, Wenauer und Co. ließen sich halt doch nicht ein zweitesmal bezwingen und deshalb allein darf man den Clubsieg als verdient bezeichnen, so überlegen die Gäste auch in der mannschaftlichen Gesamtleistung operierten.
Überhebliche Bayern?
Man hatte eigentlich von Beginn an das Gefühl. als wären die Bayern der Meinung, daß hier eine kleine Elf etwas Unmögliches versuchte. Aber die „satten Kapitalisten“ im Bayerndreß merkten doch ziemlich schnell, daß mit diesem 1. FCN gar nicht gut Kirschenessen war. Den guten Clubstart, der Maier schon in den ersten drei Minuten zweimal Beschäftigung gegeben hatte, unterbrachen sie mit energischen Angriffen, die ihnen bis zur Pause einen Eckenvorsprung von 7:1 einbrachten. Aber schon in dieser Periode war erkennbar, daß Explosivität, Schußkraft und Spielwitz sich bei ihnen diesmal nicht so entwickeln konnten. wie dies die Gäste wohl erwartet haben mochten.
Ihr Sturm-As Müller war bei Theis gut aufgehoben und Brenninger biß sich auch bald an Popp fest. Das war für den Club bereits die halbe Miete. Mochten von hinten heraus die Bayernvorstöße oft mit herrlichen Vorlagen und sehr feingewobenen Fäden inszeniert werden – irgendwo schnappte immer eine Clubschere zu, den Faden zu zerschneiden und zum Gegenangriff zu blasen.
Daß diese Attacken hemdsärmeliger als jene der Bayern aussahen, änderte nichts an ihrer Gefährlichkeit. Wenn Stegmayer am Ball war, umwölkte sich des Bayerntrainers Lattek Miene, und wenn der kleine Michel am rechten Flügel, schnell zum Liebling des Publikums avanciert (kurz vor Schluß leider verletzt wurde), den großen Verteidiger Pumm stehen ließ, durfte er Applaus auf offener Szene quittieren. Nicht von ungefähr entsprangen die beiden Clubtreffer der Wirkung der beiden Flügel, von denen Michel die Vorarbeit für den Prachtpaß geliefert hatte, den Stegmayer zum Abspiel an Kröner benützte, der das 2:0 daraufhin erzielte.
Steigerung in der zweiten Hälfte
War schon vor der Pause nicht eine Minute der Auseinandersetzung langweilig gewesen, so entwickelte sich die zweite Halbzeit geradezu zu einem Hexensabbat.
Die Münchner, die vordem schon recht hart eingestiegen waren, heizten durch weitere Derbheiten die Gemüter im Rund an, veranlaßten auch den einen oder anderen Clubspieler (von denen Popp verwarnt wurde) zur Revanche. Erst als Schiedsrichter Eschweiler (Bonn), der ausgezeichnet leitete, der Geduldsfaden endlich riß und 20 Minuten vor Schluß Schwarzenbeck nach Foul vom Platz mußte, wurde es auf dem Felde etwas weniger hitzig, obwohl sich die Verteidigungsschlacht des Clubs geradezu zu einem Spektakulum entwickelte.
Die Münchner rannten in der Schlußviertelstunde dem 2:2 hinterher wie Polizisten einem Bankräuber. Aber die Jagd blieb so ergebnislos wie vorher, da die Gäste innerhalb von fünf Minuten drei Eckbälle hintereinander erzwungen und Welz verschiedentlich vor Aufgaben gestellt hatten, bei denen ein weiteres Tor als jenes zum 2:1 kaum als etwa haltbar hätte angerechnet werden können.
Es soll nicht unterschlagen werden, daß in diesem Abwehrkampf dem Club auch einige Male Fortuna zur Seite stand, beispielsweise, als Roth spannenknapp vorbeibombte (55.) und gleich hinterher (58.) eine böse Szene vor der Torlinie gerade noch von einem Verteidiger bereinigt werden konnte – aber hier hatte Welz halt das Glück, das bekanntlich nur dem Tüchtigen lächelt.