8. November 1970: Tanzvergnügen endet auf dem Revier

8.11.2020, 07:00 Uhr
8. November 1970: Tanzvergnügen endet auf dem Revier

© Contino

Über die Einhaltung der Bestimmungen wachen Polizei und Jugendamt. Die "NN" waren bei einer Streife durch Diskotheken und Bars der Innenstadt dabei. Hier ist unser Bericht:

Erste Station ist eine Diskothek in der Luitpoldstraße. Drei Beamte vom Jugend-schutz, eine Fürsorgerin und zwei Polizisten kontrollieren Ausweise. Das Lokal leert sich, viele junge Gäste empfehlen sich durch die Hintertür. Wer schon zu Hause sein müßte und den Club durch die inzwischen besetzte Tür nicht mehr verlassen konnte, gibt sich schmollend in sein Schicksal. Ein Mädchen sucht sein Heil in der Flucht auf die Toilette. Doch die junge Fürsorgerin kennt diesen Trick schon: wenig später kommt sie mit einem 16jährigen Mini-Mädchen zurück.

Wer angesprochen wird, reagiert meist mit bissigen Bemerkungen. Wer seinen Ausweis nicht vorzeigen will, muß seine Personalien auf der Polizeiwache angeben. Vor dem Haus – dort parken die Fahrzeuge der Streife – haben sich inzwischen etwa 50 Jugendliche gesammelt, die ihren minderjährigen Gefährten Mut zusprechen und den Abtransport mit Pfui-Rufen kommentieren. Die aufgegriffenen Mädchen werden mit einem Kleinbus auf die Wache gebracht. Dort stellen die Beamten fest, daß Unbekannte einen Reifen ihres Wagens aufgeschlitzt haben. Die Streife hat eine unfreiwillige Ruhepause von etwa 20 Minuten.

Die Stimmung unter den jungen Leuten ist aggressiv. Ein Mädchen hat ihren Freund mitgebracht, der die Entlassung der Jugendlichen fordert. Die Polizeibeamten bringen ein Gesetzbuch mit den Jugendschutzbestimmungen. Die Mädchen werden zusehends kleinlaut, als man ihnen eröffnet, daß auch ihre Eltern von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt würden. Viele versuchen es jetzt auf die sanfte Tour. "Lassen Sie uns doch gehen, wir waren doch schon auf dem Nachhauseweg."

Das Strafgericht, das die Mädchen im Elternhaus erwartet, ist erstes Gesprächsthema. "Wenn das herauskommt, sitze ich die nächsten Wochen vor dem Fernsehschirm, mit Ausgehen ist dann Essig!". meint ein 15jähriger Blondschopf und zieht nervös an seiner Zigarette. Eine Freundin stimmt zu: "Die verbieten mir wieder alles."

Nach drei weiteren Kontrollen gleicht das Polizeirevier einem Bienenkorb: insgesamt zwölf junge Mädchen wurden nach 22 Uhr in den umliegenden Tanzlokalen aufgegriffen. Wer seine Personalien angegeben hat, darf nach Hause gehen. Einige probieren es erst einmal mit falschen Namen. Doch die Angaben werden sofort überprüft, der Schwindel ist schnell heraus.

Am Ende des Tanzvergnügens, das auf dem Polizeirevier so abrupt abbrach. stehen dann meist Tränen: eine Woche später kommt der angekündigte Brief, der Kinder und Eltern zu einer Aussprache ins Jugendamt bittet. Dort wird belehrt und eventuell über freiwillige Erziehungsmaßnahmen gesprochen. In krassen Fällen ist das Vormundschaftsgericht berechtigt, die Eltern wegen Verletzung der Aufsichtspflicht zu belangen oder den Jugendlichen selbst Auflagen zu erteilen: Rauchverbot, kein Alkohol, Arbeit in Heimen oder Krankenhäusern.

In erster Linie jedoch sollen die Streifen durch die nächtliche Innenstadt den jungen Menschen schützen – so will es jedenfalls das Gesetz. Lokalbesitzer; die wiederholt mit Jugendlichen unter 18 Jahren nach 22 Uhr noch Geschäfte machen, können mit Geldbußen bis 1000 DM belegt werden. Der Erfolg der Aktionen wird allgemein positiv beurteilt. Hans Georg Schuster vom Jugendamt: "Wen wir einmal erwischt haben, der merkt sich das meistens und geht künftig um 22 Uhr brav nach Hause."

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