9. Juni 1968: Sturm auf Messehalle

NN

9.6.2018, 07:00 Uhr
9. Juni 1968: Sturm auf Messehalle

© Gerardi

Das Auftreten des nationaldemokratischen Parteivorsitzenden Adolf von Thadden forderte gestern erneut den Protest von einigen hundert Nürnbergern heraus. Schon eineinhalb Stunden vor Beginn der Versammlung formierten sich die Demonstranten auf dem Berliner Platz, um Zeitungen mit der Schlagzeile „Ein Adolf war genug“ zu verteilen und NPD-Mitglieder in Diskussionen zu verwickeln.

Starke Polizeikräfte mußten eingreifen, als die Menge auf dem Platz gegen die Türen drängte und die Wächter überrumpelte. „Adolf Hitler kommt in zehn Minuten“, schrie einer der Protestierer durch das Megaphon, fünf Minuten später setzten die – meist jugendlichen – Demonstranten zum Sturm auf die Messehalle an. Mit dem Ruf „Nazischweine“ und „Hau ruck“ stießen sie keilförmig in den Vorraum vor, aus dem sie kurz darauf ein Polizeikordon vertrieb, um das Hausrecht der NPD zu sichern, wie das Gesetz es befahl.

9. Juni 1968: Sturm auf Messehalle

© Gerardi

Auf dieses Hausrecht pochte auch Versammlungsleiter und NPD-Bezirksvorsitzender Horst Nicolaus sogleich bei den Begrüßungsworten: „Wir werden nicht so tolerant sein wie das letzte Mal im Messehaus!“ Damals waren – wie berichtet – einige Zwischenrufer vom Saalschutz recht unsanft hinausgewiesen worden. Und so sollte es wieder kommen…

Eine Gruppe von etwa 300 Besuchern, die auf zwei Blöcken zwischen gut tausend NPD-Anhängern verteilt war, empfing Adolf von Thadden stehend mit erhobenem rechtem Arm und „Heil-Heil“-Rufen. Sie war stets von Schwärmen von NPD-Ordnern umringt, die sich gelegentlich nervöser zeigten als ihr Parteivorsitzender, der da meinte: „Lassen Sie sie doch reden, die haben ja zwei Mark Eintritt bezahlt!“

Das Signal zu den Tumulten

Das Gesetz war auf seiten des Hausherrn

Dennoch gab Thadden selbst das Signal zu schweren Tumulten, als er erklärte: „Man hätte die Rädelsführer der Osterunruhen mit öffentlicher Aufforderung zum Landfriedensbruch sofort hinter Schloß und Riegel bringen sollen!“ Jeweils drei bis vier Ordner stürzten sich auf einen Zwischenrufer, um ihn aus dem Saal zu zerren. Die Menschen in manchen Blöcken erhoben sich und griffen in die Auseinandersetzungen ein. Es dauerte Minuten, bis wieder einigermaßen Ruhe einkehrte.

Bei ihrem Vorgehen hatten die Ordner das Recht auf ihrer Seite, denn das Versammlungsgesetz besagt in etwa, wer erheblich stört, kann ausgeschlossen werden. Die starken Kräfte der Schutz- und Bereitschaftspolizei, die auf alle Nebenräume verteilt waren, hätten nur bei einer Rauferei oder auf Wunsch des Veranstalters NPD eingesetzt werden dürfen.

Adolf von Thadden bekam nur einmal Befall von der Opposition im Hause, als er ausrief: „Es wird gesagt, die NPD ist eine Gefahr für die Demokratie!“ Seine Anhänger aber jubelten ihm von Anfang bis Ende zu und legten förmlich einen Vorhang von „Bravo“-Rufen zwischen ihren Parteivorsitzenden und die politischen Gegner.

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