9. Oktober 1968: Rasche Hilfe tut not

K. N.

9.10.2018, 08:03 Uhr
9. Oktober 1968: Rasche Hilfe tut not

© Ranke

Vor einem Vierteljahr jedoch streikte das Auto. Um es wieder flottzumachen, wäre eine teure Reparatur fällig. Doch die Kosten gaben nicht allein den Ausschlag: der betagte Pensionär kann vielmehr die große Verantwortung nicht mehr übernehmen.

Rasche Hilfe ist nötig. Schon viel zu lange wurden die Mädchen unfreiwillig von ihrem Arbeitsplatz ferngehalten. Sie alle besuchen sehr gern die Werkstätte an der Eberhardshofstraße. Die Gemeinschaft gab ihnen neuen Auftrieb, nahm ihnen die Hemmungen und Komplexe. Das gleiche Los so vieler anderer Jugendlichen ließ sie das eigene Schicksal vergessen. Erstmals durften sie fühlen, daß sie gebraucht werden und ihre Arbeit geschätzt wird. Auch Karl Krebs, kaufmännischer Leiter der Werkstätte, bedauert, daß die Arbeitsplätze leer stehen. Die Mädchen hätten sehr rasch begriffen, was von ihnen verlangt wurde.

Doch bisher hat sich noch niemand bereit erklärt, an die Stelle von Georg Böller zu treten. Die Stadt ist nicht verpflichtet, für eine Fahrgelegenheit zu sorgen. Diese Aufgabe liege vielmehr bei den Eltern und Vereinen.

Verwaltungsrat Heinrich Ries, Leiter des Sozialamtes, bedauerte, daß dieses Problem nicht direkt an ihn herangetragen wurde. Er will anregen, daß der Bus der Aktion Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind, der täglich die Werkstätte ansteuert, auch diese Jugendlichen mitnimmt. Die betroffenen Mädchen können aber nicht zu den bestimmten Sammelstellen laufen, wo die Busse halten, um die Fahrgäste aufzunehmen. Sie müßten abgeholt und samt dem Rollstuhl in den Wagen gehoben werden.

Und das erfordert viel Mühe und Zeit. Zum anderen scheitert diese Lösung schon an dem Fahrplan. Die Fahrer müssen nicht nur die Jugendlichen an ihren Arbeitsplatz bringen, sondern auch die Kinder in die Sonderschule.

Kostenfrage noch ungeklärt

An eine andere Möglichkeit denkt Oberrechtsrat Heinz Mösoneff, der Leiter des Jugendamtes. Seiner Meinung nach könnte mit dieser Aufgabe ein Taxiunternehmen beauftragt werden. Doch ungeklärt bleibt die Kostenfrage. 10.000 DM stellt die Stadt bereits jährlich für den Transport der behinderten Kinder zur Verfügung; um dem Problem der vier betroffenen Mädchen gerecht zu werden, müßte ein neuer Antrag gestellt werden. Eine schnelle Lösung läßt sich nur durch Nachbarschaftshilfe realisieren. Für kurze Zeit müßten sich Privatleute bereit erklären, die Mädchen zur Werkstätte zu bringen. Denn bisher ist dem Verein zur Förderung und Betreuung spastisch gelähmter Kinder noch nicht gelungen, einen Ersatz für Georg Böller zu finden. Alle möglichen Versuche wurden bereits, wie Erika Meyer versicherte, unternommen – doch ohne Erfolg. Im Frühjahr wird das Problem noch schwieriger zu meistern sein, bereits vier weitere Mädchen wurden für den Besuch der Werkstätte angemeldet.

Freiwillige Fahrer gesucht

Die betroffenen Jugendlichen müßten morgens – um neun Uhr beginnt ihre Arbeitszeit – zu Hause abgeholt und um 16 Uhr von der Eberhardshofstraße wieder zurückgebracht werden. Sie wohnen an der Budapester Straße, am Jean-Paul-Platz und an der Hardenbergstraße. Lediglich am Freitag wäre das vierte Mädchen von der Zedernstraße in die Werkstätte zu fahren. Wer bereit ist, vorübergehend die Jugendlichen an ihren Arbeitsplatz zu bringen, möchte sich mit dem Verein zur Förderung und Betreuung spastisch gelähmter Kinder, Brandenburger Straße 65, in Verbindung setzen.

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