Abgründe: Vierteilen, erhängen und köpfen - Zu Besuch im Henkerhaus

Ulrike Löw

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27.11.2020, 07:00 Uhr
In der aktuellen Folge Abgründe sprechen Ulrike Löw und Lena Wölki über den letzten Henker in Nürnberg.

In der aktuellen Folge Abgründe sprechen Ulrike Löw und Lena Wölki über den letzten Henker in Nürnberg.

Im Gespräch mit der Historikerin Magdalena Prechsl vom Nürnberger Verein Geschichte für alle e.V. wird die außergewöhnliche Person des Henkers Franz Schmidt sichtbar: Er wäre gerne Arzt geworden, doch da bereits sein Vater Heinrich Henker war, musste Franz Schmidt als Sohn des Scharfrichters diese Tradition fortführen, nach damaliger Sitte durfte er keinen anderen beruflichen Weg einschlagen.


Nürnbergs Henker und ihre Opfer


Franz Schmidt hat über seine 45 Berufsjahre unter dem Titel "All mein Richten" Tagebuch geführt. Er hat Leute geköpft, gehängt und verstümmelt, und anschließend deren Wunden versorgt. Denn als Chef der Folterknechte in den Lochgefängnissen wusste er nicht nur, wie man Arme ausrenkt. Er wusste auch, wie man Arme wieder einrenkt.

Heute gilt in Deutschland absolutes Folterverbot – und doch liegt es erst noch keine zehn Jahre zurück, dass Magnus Gäfgen, der Entführer und Mörder des elfjährigen Jakob von Metzler, 3000 Euro Schmerzensgeld erstritt, weil ihm im Jahr 2002 auf einer Polizeiwache Folter angedroht worden war.

Wolfgang Daschner, damals Vizepolizeipräsident der Stadt Frankfurt, hatte einem Polizisten befohlen, Gäfgen mit unerträglichen Schmerzen zu drohen, um den entführten Jakob zu retten. Das Dilemma des Beamten, das Kind zu retten, doch von Recht und Gesetz daran gehindert zu werden, die Entführung, die Skrupellosigkeit des Täters – kaum ein Verbrechen wurde in der Öffentlichkeit so breit diskutiert.

Ob Polizisten in vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit Beschuldigten Schmerzen angedroht haben, um sie zum Reden zu bringen, ist nicht bekannt; zumindest ist ein solches Vorgehen niemals aktenkundig gemacht worden.


Direkt über dem Fluss hauste der Henker


Abschreckung, Wiedergutmachung und die Wiederherstellung des Rechts durch Sühne, das war die Idee von Strafe im Spätmittelalter bis in das 19. Jahrhundert. Die Strafen mussten deshalb in ihrer Grausamkeit den Verbrechen entsprechen und – eben spiegelbildlich – den gleichen Schaden anrichten. Es greift zu kurz, die Gerichts- und die Strafpraxis im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit nur als schaurig und brutal darzustellen.

Auch willkürlich waren die Strafen nicht. Meist spiegelten die Strafen das Verbrechen wieder – jemandem, der einen Meineid geleistet hatte, wurden die Schwurfinger abgeschlagen und nach Gotteslästerung schnitt der Henker ein Stück aus der Zunge heraus. In der Altstadt, auf der Nürnberger Fleischbrücke, gab es den so genannten Ohrenstock – hier wurden die abgetrennten Körperteile teils hin genagelt, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen.

Heute kann die Dienstwohnung des Henkers, die er mit Frau und Kindern bewohnte, in der Nürnberger Altstadt, am Trödelmarkt 58, besichtigt werden. Im Jahr 2007 wurde unter der Trägerschaft von Geschichte für alle e. V. – im Henkerhaus ein Museum eröffnet. Die Ausstellung kann aufgrund der Corona-Pandemie derzeit zwar nicht besichtigt werden, doch unser Podcast gibt Einblicke in das Leben des Scharfrichters und zeigt, das er alles andere als ein Sadist gewesen ist.

Am Ende seines Lebens zog Franz Schmidt übrigens noch einmal um, in die Obere Wörthstraße. Dort schied er 1634 aus dem Leben, als Arzt, wie es im Beerdigungsbuch heißt. Beigesetzt wurde er am Rochusfriedhof, auch das Grab kann man sich bis heute ansehen.

Zu hören gibt es den neuen Podcast "Abgründe" jeden zweiten Freitag.
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