Budapest-Verfahren
„Bestürzt und besorgt“: Nürnbergs Akademie der Bildenden Künste setzt sich für Studentin Hanna ein
17.7.2024, 13:12 Uhr"Hanna S. ist eine herausragende, motivierte, anerkannte und integrierte Studierende, die für Ihre Arbeiten mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. Zuletzt erhielt sie einen der Akademiepreise", sagt Petra Meyer von der Akademie der Bildenden Künste (AdBK). Die persönliche Referentin des AdBK-Präsidenten gibt auf Nachfrage unserer Redaktion einen Einblick in die aktuellen Geschehnisse auf dem Campus. So seien einige Studierende und Lehrende gleichermaßen erschüttert über die Situation.
"Wir sind bestürzt und besorgt angesichts ihrer Verhaftung und der Schwere der gegen sie erhobenen Vorwürfe. Unsere Hochschule hat ein Leitbild, das für Offenheit, Toleranz und gegen jede Art von Extremismus und Gewalt ist", sagt Meyer.
Hanna wird die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen vorgeworfen. Sie wurde am 6. Mai in Gostenhof verhaftet und sitzt seitdem in der JVA Nürnberg in Untersuchungshaft. In Hannas Fall verweist die AdBK auf die Unschuldsvermutung und betont deren Wichtigkeit als Grundprinzip eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. "Jede Person, die einer Straftat beschuldigt wird, gilt so lange als unschuldig, bis ihre Schuld rechtskräftig nachgewiesen ist", sagt Meyer.
Hanna soll im Februar 2023 in Budapest an zwei Übergriffen auf vermutete Rechtsextremisten beteiligt gewesen sein. Die Opfer erlitten Prellungen und Platzwunden.
Die Angriffe ereigneten sich rund um den sogenannten "Tag der Ehre". Jährlich finden sich unzählige Rechtsextremisten und Neonazis aus ganz Europa rund um den 11. Februar in Budapest zu Gedenkveranstaltungen ein, organisiert vom in Deutschland verbotenen "Blood and Honour"-Netzwerk und der Legio Hungaria, einer ungarischen Neonazi-Organisation.
Die ungarische Justiz leitete nach den gewaltsamen Übergriffen Ermittlungen gegen mehrere mutmaßliche Angreiferinnen und Angreifer aus Deutschland, Italien und anderen Ländern ein. Europäische Haftbefehle wurden beantragt. Eine erste Auslieferung im sogenannten "Budapest-Verfahren" von Deutschland nach Ungarn gab es bereits Ende Juni. Dabei handelte es sich um eine unter dem Namen Maja bekannte Person, der ebenfalls vorgeworfen wird, an den gewaltsamen Übergriffen in Budapest 2023 beteiligt gewesen zu sein.
Das Bundesverfassungsgericht hatte zwar nach einem Eilantrag von Majas Anwälten die Auslieferung noch untersagt, allerdings kam das Stoppsignal zu spät, weil die zuständigen Behörden noch in der Nacht nach der Auslieferungszustimmung aktiv wurden. Der Vorgang sorgte für heftige Kritik vor allem bei linken Politikern. Der Linksparteivorsitzende Martin Schirdewan fand deutliche Worte. "Viktor Orbán ist kein Demokrat und Ungarn wird kein rechtsstaatliches Verfahren garantieren. Es ist unerträglich, dass Deutschland Menschen an Autokraten ausliefert, statt ein rechtsstaatliches Verfahren vor eigenen Gerichten sicherzustellen."
Der schnelle Auslieferungsvollzug im Fall Maja bereitet auch Studierenden und Lehrenden mit Blick auf Hannas Situation große Sorgen. Meyer sagt dazu: "Wir setzen uns für ein rechtsstaatliches Verfahren ein - davon gehen wir in Deutschland natürlich auch aus. Einen möglichen Auslieferungsantrag und daraufhin eine mögliche Auslieferung nach Ungarn sehen wir mit großer Sorge."
Warum Auslieferungen nach Ungarn problematisch sind
Seit weit über zehn Jahren regiert Ministerpräsident Viktor Orbán in Ungarn. Über die Jahre warf die Fidesz-Regierung mehr und mehr demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien über Bord, sodass heute Ungarn eher einer Autokratie gleichkommt. Die Unabhängigkeit von Medien und Justiz wurde stark beschnitten. Immer wieder wurden unliebsame Richter und Staatsanwälte mit Disziplinarmaßnahmen und Suspendierungen eingeschüchtert. In der Vergangenheit wurden durch das EU-Parlament und die EU-Kommission immer wieder Mängel des ungarischen Rechtsstaats festgestellt. Die EU leitete gleich mehrere Verfahren gegen Ungarn ein. Seit Jahren kritisieren Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International die Haftbedingungen in Ungarn scharf.