Cousine spricht über Mörder
Märchenschloss und eine Traumhochzeit: Wer war Alexandra R. wirklich? Eine Spurensuche in Rumänien
20.8.2024, 13:31 UhrDas Dach rostet, die Fassade ist verwittert, der Putz bröckelt und ein paar Fenster sind eingeschlagen. Sicherlich war Schloss Kendeffy im rumänischen Transsilvanien einst ein beeindruckender Ort mit glorreicher Geschichte. Von den glanzvollen Tagen der alten Grafen, die hier einst lebten, ist heute kaum noch etwas übrig.
Ein gewaltiger Schlosspark von weit über 10.000 Quadratmetern erstreckt sich über die Hänge, hinter denen sich das Gebirge der südlichen Karpaten am tiefblauen Himmel abzeichnet - doch die Anlage verkommt. Eigentlich könnte das Schloss ein Touristenmagnet im Westen Rumäniens sein. Doch der Stadt fehlt das Geld für die aufwendige Sanierung - auf einen Käufer wartet der Prestigebau seit vielen, vielen Jahren.
Zwischenzeitlich wirkte es so, als könnte eine Einheimische zur Retterin von Schloss Kendeffy werden. Alexandra R., die Nürnbergerin, die am 9. Dezember 2022 spurlos verschwand, wurde in Hateg geboren - dort, wo der Prachtbau steht. Und Menschen, die sie kannten, sagen, dass die gebürtige Rumänin sich durchaus für das Schloss interessiert hat. Wobei unklar ist, ob sie oder ihr damaliger Partner Nermin A. (Name geändert) damals die treibende Kraft hinter der Kaufidee war.
Cousine erlebte Alexandra R. und späteren Mörder auf ihrer Hochzeit
Schloss Kendeffy zeugt von den Träumen der Frau, die laut Urteil von ihrem Ex-Lebensgefährten getötet wurde. Aber auch vom Größenwahn des Paares, das in der Spitze bis zu 27 Immobilien, größtenteils in Mittelfranken, besaß. Weit mehr als eine Million Euro kostet Kendeffy, die Sanierung der Ruine würde mindestens das Zehnfache verschlingen, vermuten Einheimische, die sich in der Gegend auskennen. Wirtschaftlich gesehen ist das Schloss ein Fass ohne Boden. Zuletzt versuchte ein Hotelier sein Glück bei der Wiederbelebung. Er scheiterte.
Offensichtlich sahen Alexandra R. und Nermin A. vom Kauf ab. Die Geschichte der beiden endete aber dennoch in einer Katastrophe. Der 51-Jährige, davon ist das Landgericht Nürnberg-Fürth überzeugt, tötete die damals im achten Monat schwangere Frau auf heimtückische Art gemeinsam mit seinem Geschäftspartner, beide wurden vor wenigen Wochen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Doch von Alexandra R.s Leiche fehlt jede Spur - mit ihrem Verschwinden wurde sie zum Geist.
Für "Abgründe", den True-Crime-Podcast des VNP, haben wir "Das Verschwinden von Alexandra R." in sechs Folgen nachgezeichnet. Und wir sind nach Rumänien gereist, um zu verstehen, wer die Frau wirklich war. Zu Schloss Kendeffy an den Hängen ihres Geburtsortes Hateg, aber auch zu nahestehenden Menschen, die sie kannten. Beispielsweise zu Marina Popescu, die eigentlich anders heißt, aber anonym bleiben möchte.
Cousine von Alexandra R.: "Kann es noch immer nicht fassen"
Die junge Frau ist die Cousine von Alexandra R. und war eine der wenigen Rumänen, mit denen die Nürnbergerin noch Kontakt hielt. "Sie war sehr zurückhaltend und blieb im Hintergrund, eigentlich hatte sie nur mit ihren Eltern hier wirklich viel zu tun", sagt Popescu, die das Bild einer Frau zeichnet, die in Deutschland ihr Glück suchte. "Sie hat nie viel gesprochen und keine privaten Dinge erzählt." Nur bei ihrer Pflegetochter, sagt ihre Cousine, da sei sie aufgeblüht. "Sie war toll mit ihr, wie eine echte leibliche Mutter - so liebevoll!"
Tatsächlich erarbeitete sich Alexandra R. fernab der Heimat alles, was sie sich wünschte. Zumindest sah es für Popescu so aus. "Sie war mit ihrem Freund bei meiner Hochzeit in Rumänien", sagt die Cousine - eine große Feier im Kreise der Familie. "Er war ein cooler Typ, hatte teure Autos und offenbar viel Geld." Inzwischen wissen aber auch die Angehörigen in Siebenbürgen/Transsilvanien, dass all das nur Fassade war. "Ich kann noch immer nicht fassen, dass er sie getötet hat. Aber das ist wohl so."
Mörder und Opfer, Seite an Seite
Die Eltern von Alexandra R. leben noch immer in Rumänien, in einem kleinen 200-Einwohner-Dorf fernab des Trubels, weit weg von den Schlagzeilen, die es zu dem Mordfall aus Nürnberg auch in der alten Heimat der Frau gab. "Es ist wirklich schrecklich für sie", sagt Popescu, die noch immer ein seltsames Gefühl überkommt, wenn sie Fotos von ihrer Hochzeit sieht. Bilder, die unserer Redaktion vorliegen, zeigen Alexandra R. im glitzernden Paillettenkleid und mit hohen Schuhen - neben ihr der Mann, der sie mutmaßlich getötet hat.
Der Mörder und sein Opfer, Seite an Seite. Nermin A., adrett wie immer, im Anzug und auf seriös getrimmt - er tritt genau so auf, wie in viele Zeugen in der Hauptverhandlung beschrieben haben.
Doch wie wuchs Alexandra R. eigentlich auf? Unsere Recherche führt uns nach Vulcan, in einen ehemaligen Bergarbeiterort, in dem sich ein Hochhaus an das nächste reiht. Wer sich hier umsieht, versteht, warum eine Frau mit großen Ambitionen das Land verlassen will. Mehr dazu hört ihr in Folge von "Das Verschwinden von Alexandra R.", eine abgründe-Recherche.
Hier finden Sie unseren Podcast zum Fall Alexandra R.
Was passierte am Tag des Verschwindens? Wer war Alexandra R.? Welches Motiv hatten die Täter? In unserem Podcast erzählen wir die ganze Geschichte des mysteriösen Nürnberger Mordfalls.
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