Alkoholverbot am Hauptbahnhof: Kontrollen sind schwierig
5.11.2018, 05:49 UhrKurz nach 17 Uhr wird der Ton draußen vor der Mittelhalle schlagartig schärfer. "Ich möchte Ihre Colaflasche sehen!", ruft der Mann mit der neongelben DB-Sicherheitsweste dem Mann im Parka zu, der mit Unschuldsmiene die Schultern zuckt. "Welche Colaflasche?", antwortet er betont lässig. "Aus der Sie getrunken haben", antworten die beiden DB-Kräfte fast unisono. Es liegt etwas in der Luft, das Duo könnte Verstärkung holen, die Colaflasche durch Abtasten zu Tage befördern, was einen Platzverweis, vielleicht auch ein Bußgeld von 50 bis 80 Euro nach sich ziehen würde - wegen Verstoßes gegen das Alkoholverbot im und um den Hauptbahnhof, das seit 1. November 24 Stunden gilt.
Doch das DB-Sicherheitsduo zieht ab. Ohne Ermahnung. Ohne direkte Konfrontation. Was durchaus mit Strategie zu tun haben könnte. Denn die Bahnpolizei, die im Hauptbahnhof primär für die Sicherheit zuständig ist, hält sich am Tag drei des verschärften Alkoholverbots mit Aussagen völlig zurück. Nur so viel wird gesagt: Man habe die Zahl der Sicherheitskräfte erhöht, ansonsten wird auf die Pressestelle verwiesen, die im Vorfeld abgeblockt und einen gemeinsamen Rundgang abgelehnt hat.
Die Szenerie vor der Mittelhalle ist aber ein Beweis für die angespannte Situation, die durch die Anordnung der DB Station & Service AG entstanden ist. Über Plakate wird an Eingängen, in Bahnsteigtunneln und in der Haupthalle auf das Hausrecht hingewiesen - und auf das Verbot, hier Alkohol zu konsumieren "und zum Zwecke des Konsums mitzuführen", das jedoch nicht gilt "innerhalb von Pachtbetrieben, die Alkohol gewerblich ausschenken".
Ein Katz-und-Maus-Spiel
Eine Regelung, die Leute ärgert, die am Rand der Königstorpassage stehen "und einfach nur mit Freunden reden und dabei ein Bier trinken wollen". Eins, das nicht 3,20 Euro wie in der Bahnhofs-Sportsbar kostet, sondern 69 Cent beim Filialisten. Ein 47-Jähriger, der sich ohne Umschweife als "Alkoholiker" bezeichnet, der auch regelmäßig Drogen nimmt, sieht sich an den Rand gedrängt und immer wieder verdrängt. Kurz vorher sei er von einer Polizeistreife im kleinen Park neben dem Handwerkerhof kontrolliert und belehrt worden. Eine Ecke weiter, ein Katz-und-Maus-Spiel.
Nun unterhält er sich mit einem Anfangzwanziger, der seit zwei Jahren in Nürnberg ist. Zwei fast volle Plastikbierflaschen stehen vor ihnen auf dem Abfallkorb. Der äthiopische Flüchtling kennt die Situation rund um den Bahnhof. Er spricht gut Deutsch und erklärt, warum er an diesem Ort ist: "Zuhause ist es langweilig. Hier treffe ich Freunde, ich will Kontakt haben."
"Nur ein bisschen Spaß haben"
Lieber würde er aber arbeiten, statt Bier zu trinken, sagt er dann noch. Und seine wachen Augen werden glasig, was nicht eingeübt wirkt. "Wir wollen doch nur ein bisschen Spaß haben. Wo ist das Problem?", ergänzt der 47-Jährige, um seinen jungen Kumpel etwas aufzuheitern.
Nürnbergs Schattenseite: Die Königstorpassage im Portrait
Ein paar Meter weiter durch die Königstorpassage sitzt seit Stunden Sami Karatas, der hier den "Straßenkreuzer" verkauft. Er hat alles im Blick und beobachtet genau. "Wenn man etwas durchsetzen will, braucht man Personal", sagt er zum 24-Stunden-Alkohol-Konsumverbot. Es werde häufiger als früher kontrolliert, manchmal auch mit Spezialeinheiten der Polizei, doch es gebe auch immer wieder lange Phasen ohne Streifen.
"Nicht viel verändert"
Karatas kennt die Stammgäste im Umfeld der "Köpa". Und er sieht, dass sie jetzt halt Schnaps in Colaflaschen und Bier in Kaffeebecher schütten. "Man muss mehr präsent sein", rät er Stadt und Bahn. In das gleiche Horn bläst Patrizia Schwartz, die seit fünf Monaten dort unten in einem Imbisskiosk arbeitet, der Alkohol verkauft. Seit drei Tagen habe sich "nicht viel verändert", sagt die junge Blondine, die resolut wirkt. "Jeder, der trinken will, findet einen Weg", lautet ihre Erkenntnis. Gestern habe sie einem, der sie blöd angeredet hat, kein Bier verkauft. Einige Kunden habe sie darauf hingewiesen, dass sie die Flasche wegen des Alkoholverbots nicht öffnen dürften, was diese aber 20 Schritte weiter taten. "Soll ich denen nachlaufen?", fragt Schwartz.
Oben vor dem Osteingang des Bahnhofs steht der Mann mit dem Parka. Er nennt sich "Speedy", ist 50 Jahre alt und hat zuvor bei Lidl einen Sixpack Bier, Alkopops und eine Flasche Mineralwasser gekauft. Die teilt er jetzt mit drei Kumpels an der Brüstung neben der Rolltreppe. Ohne Colaflasche, ganz offen, unbehelligt. Seine Botschaft: "Wir müssen doch auch wo hin."
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