Nürnberg Digital Festival
Aus dem Nähkästchen: Spannende, skurrile, intime Geschichten beim Reporter-Slam der NN
8.7.2023, 11:09 UhrReporter haben viele Arbeitsplätze - mal sind es schmucklose Medienzentren bei großen Veranstaltungen, der ruckelige ICE oder die Pressetribüne im Fußballstadion. Reporter zu sein bedeutet, rauszugehen, mit Menschen zu sprechen und mit geschärften Sinnen wahrzunehmen, was um einen herum passiert. Fast immer wird unter Zeitdruck gearbeitet, nicht selten auch unter widrigen Rahmenbedingungen, von denen die Leserinnen und Leser möglichst wenig mitbekommen sollen.
Beim ersten Reporter-Slam der "Nürnberger Nachrichten", der im Rahmen des Nürnberg Digital Festival veranstaltet wurde, erzählten Redakteurinnen und Redakteure, wie ihre Artikel zum Teil wirklich entstehen. NN-Projektredakteur Kurt Heidingsfelder führte als Moderator durch den Abend und gab gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen den 150 Besucherinnen und Besucher einen Einblick in eine Arbeitswelt, die durch die Digitalisierung sowohl dynamischer und fordernder als auch vielfältiger und damit noch interessanter geworden ist.
Geheimnisse aus dem Bundestag und Pannen
15 Minuten hatten die Journalistinnen und Journalisten Zeit, die Zuschauerinnen und Zuschauer mit ihren Geschichten zu unterhalten, begeistern, überraschen oder belustigen. Da erzählte Hauptstadt-Korrespondent Harald Baumer zu Beginn von so manch Absurditäten aus der Politik-Welt. Selbst nach 22 Jahren in der Hauptstadt staune er regelmäßig, was hinter den Kulissen passiere. Als Journalist hat er Zugang zu Orten, die Normalsterblichen verwehrt bleiben - wer ein bisschen Kanzleramts-Luft schnuppern möchte, für den hatte Baumer einen wertvollen Tipp parat: Einen Besuch im Krematorium im Stadtteil Treptow-Köpenick, das unübersehbar von den gleichen Architekten entworfen wurde.
Gesellschaftsreporterin Anette Röckl, die in ihren "Hallo-Nürnberg"-Kolumnen über den ganz normalen Wahnsinn des Alltags schreibt, berichtete natürlich auch beim Reporter-Slam von einigen Missgeschicken, die ihr im Laufe ihrer Tätigkeit passiert sind. "Auch wenn hier heute was schief geht - macht nix! Ich brauch ja neue Stories für meine Kolumnen", sagte sie gleich zu Beginn. Vom Stress am grünen Hügel, wenn sie bei strömenden Regen und durchweichtem Schreibblock auf Prominente Gäste bei den Bayreuther Festspielen wartet oder beim Besuch des niederländischen Königspaares Willem Alexander und Maxima in Nürnberg anstelle der Royals sich selber filmt - mit ihren kleinen und große Pannen unterhält sie das Publikum an diesem Abend in gewohnter Manier.
Vom Scheitern und von Swingerclubs
Drei Herren, die berufsbedingt regelmäßig mit dem Begriff des Scheiterns konfrontiert werden und ihren Job dennoch mit Freude und Leidenschaft ausüben, sind Hans Böller, Fadi Keblawi und Sebastian Böhm aus dem Sportressort der "Nürnberger Nachrichten". Nicht nur sehen sie regelmäßig den heimischen Fußballvereinen beim Scheitern zu, auch scheitern sie des Öfteren selbst an ihren Texten, wenn sich kurz vor Schluss noch ein anderer Spielstand ergibt als zuvor geglaubt und bereits ins System getippt wurde. Wie so etwas live aussehen kann, demonstrierten der alte (Böller) und neue (Böhm) Sportchef der "NN" - Kollege Keblawi schrieb live einen Text.
Gerichtsreporterin Ulrike Löw und Polizeireporter Alexander Brock berichteten von einen Fall, der die heitere Stimmung im Saal kurzzeitig unterbrach. Mit Fingerspitzengefühl versuchten beide Journalisten, die Wahrheit herauszufinden, über eine Frau, die bei einem Fußballspiel sexuell belästigt wurde, mit ihrem Smartphone ein Foto des mutmaßlichen Täters machte. Vor Gericht jedoch wurde nach und nach klar, dass sie den falschen Mann fotografiert hatte.
Ein Zeitungsredakteur, der mit anderen Männern im Kreis sitzend Gummi-Vulven begutachtet und in die Geheimnisse der Intim-Massage eingeführt wird - die Moderatoren des Podcasts "heiß und innig", Lena Wölki und Johannes Alles wollen mit ihrer Arbeit "in die großen Fußtapfen von sexuellen Aufklärern treten", wie sie augenzwinkernd verkündeten. Mit viel Witz und Ironie berichteten die beiden selbsternannten "Sex-Beauftragten" von der Suche nach geeigneten Gesprächspartnern und was sie am Swingerclub am meisten faszinierte. Mit diesem Auftritt sicherte sich das Duo nach der Publikumsabstimmung den heißbegehrten Pokal des Abends.
Seit vergangenem Jahr arbeiteten das Museum für Kommunikation Nürnberg (MKN) und die "Nürnberger Nachrichten" (NN) beim Digitalfestival zusammen. Die nächste Veranstaltung, ein "Hate-Slam" ist bereits in Planung.