"Cities fit for Cycling": Britische Inspiration für Nürnberg?
30.4.2014, 17:01 Uhr"Cities fit for Cycling" heißt die Kampagne der "Times", die seit 2011 Politik und Öffentlichkeit in Sachen Sicherheit für Fahrradfahrer aufrüttelt. Den Anstoß gab der Unfall einer Mitarbeiterin, die mit ihrem Fahrrad vor dem Redaktionsgebäude überfahren wurde und anschließend im Koma lag. Das erklärte Ziel der Aktion: Die Infrastruktur britischer Städte - allen voran London - sollte verändert und verbessert werden, um so die Unfallzahlen zu senken und das Fahrradfahren sicherer zu machen.
Die Resonanz sei überwältigend gewesen, so die Zeitung. 36.000 Menschen sowie die großen Parteien Englands versprachen ihre Unterstützung. Doch damit beließen es die Inititatoren der Kampagne nicht: Nach umfangreichen Recherchen banden sie die Politik mit ein, um ihre Ergebnisse in die Tat umzusetzen.
Einen ersten wichtigen Schritt machte Wales. Im November 2013 wurde dort die "Active Travel Bill" verabschiedet - ein neues Gesetz, das die Kommunen dazu verpflichtet, Fahrrad- und Gehwege zwischen wichtigen Orten wie Schulen, Geschäften und Krankenhäusern zu bauen und instand zu halten.
Auch der Londoner Stadtrat zeigt guten Willen. 900 Millionen Pfund (etwa eine Milliarde Euro) sollen die nächsten zehn Jahre über in den Ausbau eines "Crossrail for the bike" (Direktverbindungen quer durch das Stadtzentrum) fließen. Dabei wird der Fahrradverkehr eigene, baulich abgetrennte Straßen bekommen. Streckenweise existieren solche Fahrrad-Highways in London zwar bereits, diese enden jedoch in verschiedenen Ecken der Innenstadt. Die neuen Fahrradstraßen sollen bis 2016 fehlende Verbindungen herstellen und ein geschlossenes Verkehrsnetz für Radler bilden.
Kritiker finden die angesetzten 900 Millionen Pfund für ein ganzes Jahrzehnt zu niedrig und fordern mindestens doppelt so hohe Investitionen in die Verbesserung der Fahrrad-Infrastruktur Londons. Zudem scheint die Kampagne der Times dem Thema Sicherheit für Radfahrer in Großbritannien zwar neue Aufmerksamkeit verliehen zu haben - von tatsächlichen Veränderungen, die den Radlern schon jetzt nutzen, ist jedoch auf der Internetseite der Kampagne auch fast drei Jahre nach Beginn der Aktion noch nicht sehr viel zu lesen.
Ein Blick nach Nürnberg
Im Vergleich zu den Nürnberger Ausgaben für den Radverkehr bleibt das Londoner Finanzpaket jedoch imposant. Nach Angaben des ADFC Nürnberg fließt in der Noris jährlich gerade einmal eine Million Euro in den Fahrradverkehr. Nach Vorgaben des Bundes sollten jedoch sechs bis acht Millionen Euro im Jahr für Radwege ausgegeben werden. Gesprächs- und Verbesserungsbedarf gibt es also nicht nur im fernen Großbritannien.
Auch in der Noris sind Schwachstellen für Fahrradfahrer zu finden. Auf Nachfrage bei Jens Ott vom ADFC Nürnberg, welche Stellen im Stadtgebiet für Radler besonders problematisch seien, antwortet der mit einem tiefen Seufzer: "Wo soll ich da bloß anfangen?" Vom Marientunnel über die Maximilianstraße bis hin zur Ansbacher Straße fallen ihm zahlreiche Verkehrspunkte ein, wo es für Radler oft gefährlich wird.
Pläne zur Verbesserung der Infrastruktur gebe es genug, jedoch stelle der Stadtrat nur nach und nach die finanziellen Mittel zum Aus- und Weiterbau von Radstreifen und -wegen (Link zu anderem Artikel) zur Verfügung, so Ott. Bis sich die Nürnberger Infrastruktur zugunsten der Fahrradfahrer verbessert hat, rät er Radlern dazu, sich auf der Straße selbstbewusst Platz zu schaffen, gleichzeitig aber stets mit Fehlern anderer zu rechnen - frei nach dem Motto: "Nach außen offensiv, nach innen defensiv."
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