Standardisiertes System
Mit Technik gegen die Kritiker: DolphinWET soll Tierwohl im Nürnberger Tiergarten sichern
7.8.2024, 07:43 UhrKeine Frage - der blaue Salon unter dem Nürnberger Delfinarium ist beeindruckend. 12 Meter breit und vier Meter hoch sind die Acrylfenster, durch die man Delfine beim Tiergartenbesuch beobachten kann. Doch immer wieder fragen sich Menschen, ob es den hochintelligenten Säugetieren in Zoos wirklich gut gehen kann. Eine Frage, die sich wohl auch Tiergärten selbst stellen. Denn zumindest der Nürnberger Tiergarten will nun neue Messstandards für Delfine entwickelt haben - das teilte die Stadt Nürnberg am Dienstag, 6. August, in einer Pressemitteilung mit.
Tiergesundheit, Ernährung, Verhalten, Unterbringung, Gemütszustand: In diese fünf Prinzipien gliedert sich das standardisierte System, mit dem Zoos und Aquarien das Wohlbefinden der Delfine in ihrer Obhut dauerhaft beobachten und messen können. Der Tiergarten der Stadt Nürnberg hat es in den vergangenen Jahren gemeinsam mit dem Tierschutzkomitee der Europäischen Vereinigung für Aquatische Säugetiere (EAAM) entwickelt. Auch eine wissenschaftliche Publikation wurde dazu veröffentlicht.
Mithilfe einer App sollen Tierpflegende, Tierärztinnen und -ärzte sowie Biologinnen und Biologen perspektivisch das sogenannte "DolphinWET" (Dolphin Welfare Evaluation Tool) in ihren täglichen Arbeitsablauf mit den Tieren integrieren können. "Mit dem DolphinWET haben wir erstmalig ein Werkzeug entwickelt, mit dem wir als wissenschaftlich geführte Zoos und Aquarien anhand einheitlicher Fragen Daten zum physischen und psychischen Wohlbefinden der Delfine in unserer Obhut erfassen, sammeln und auswerten können", sagt die Nürnberger Zootierärztin Dr. Katrin Baumgartner, die das System federführend mitentwickelt hat.
Eisbären und Giraffen als Vorbild für Delfin-Messung
Im Tiergarten leben derzeit sieben Große Tümmler. 1971 kamen die ersten Delfine nach Nürnberg. Damals gab es kaum Wissen darüber, wie Delfine richtig gehalten werden. "Mit dem DolphinWET können wir ganzheitlich und kontinuierlich den Zustand der Tiere erfassen. Somit können auch kleinste Veränderungen früh erkannt und es kann entsprechend darauf reagiert werden", erklärt Baumgartner. Wissenschaftlich geführte Zoos arbeiten seit Langem an Methoden, das Befinden ihrer Delfine zu erfassen und die Haltungsbedingungen den Ergebnissen entsprechend anzupassen.
Für einige Tierarten, wie etwa Eisbären, Makaken und Giraffen gibt es bereits vergleichbare Systeme. Bei Delfinen erhoben die Fachleute seit den frühen 1990er-Jahren systematisch Daten und es gibt somit bereits viele Informationen zu Verhalten, Physiologie und Fortpflanzung.
DolphinWET: Gemeinschaftsprojekt vieler Zoos und Tiergärten
Seit 2012 arbeiten Experten daran, die Haltungsbedingungen für Delfine stetig zu verbessern, 2018 wurde mit der Erstellung des DolphinWET begonnen. Auf wissenschaftlicher Basis wurden 49 Indikatoren - davon 37 tierbasierte - definiert, um den Zustand jedes einzelnen Delfins objektiv festzustellen und zu beschreiben.
Beteiligt an der Entwicklung waren der Zoo Duisburg, das französische MarLab, die Fundación Oceanográfic Valencia (Spanien), die International Zoo Veterinary Group aus Großbritannien, der italienische Aquapark Zoomarine, das Animal Welfare Education Centre der Universität Barcelona, der Parc Astérix (Frankreich), Fox Consulting (Frankreich), die Faculty of Medical and Health Sciences der Universität Nottingham, die École National Vétérinaire de Toulouse und Animaux et Compagnies. Durch die wissenschaftlich basierten Indikatoren des DolphinWET hat nun jede Einrichtung die Möglichkeit, die von ihr erhobenen Daten auszuwerten und somit auch zu beurteilen.
Neue Delfin-App soll Dokumentation vereinfachen
Durch die dazu entwickelte App werden die Dokumentation und Auswertung der Daten zukünftig weiter erleichtert. "Wir kennen unsere Tiere sehr gut und bemerken nach vielen Jahren Erfahrung kleinste Veränderungen", sagt der Revierleiter des Nürnberger Tiergartens, Armin Fritz. "Mit dem DolphinWET können wir unsere Beobachtungen jetzt aber systematisch erfassen."
"Mit dem DolphinWET haben wir jetzt eine weitere Möglichkeit, wertvolle Daten zu sammeln und die gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen, um unsere Arbeit und die Haltungsbedingungen weiter zu verbessern", sagt Dr. Lorenzo von Fersen. Als Kurator für Artenschutz und Forschung im Tiergarten Nürnberg hatte er ebenfalls an der Entwicklung mitgewirkt.