Demonstranten greifen türkischen Gemüseladen in Nürnberger Südstadt an

Julia Ruhnau

nordbayern.de

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13.10.2019, 18:50 Uhr

Etwa 1500 Menschen sind am Samstag unter dem Motto "Rechte Netzwerke bekämpfen im Staat und auf der Straße – für eine linke Offensive" in Nürnberg auf die Straße gegangen. Vom Plärrer aus zogen die Demonstranten durch die Südstadt, unter ihnen auch etwa 500 Kurden, die gegen die militärische Offensive der Türkei in Syrien protestierten. Das Geschehen verlief laut Polizei überwiegend friedlich - in der Wölckernstraße eskalierte die Situation allerdings, als der Demonstrationszug einen Gemüseladen passierte.

Auf einem Video, das Anwohner gefilmt haben, ist zu sehen, wie dort mehrere Männer mit kurdischen Flaggen auf den Laden zugehen. Kurz darauf kommt es zu einem Handgemenge. "Einer ist mit einem Baseballschläger gekommen und hat meinen Neffen auf den Kopf geschlagen", erzählt Nart Fatih, Inhaber der türkischen Zara-Gemüsemärkte, der in der Filiale in der Wölckernstraße vor Ort war. Kurz darauf griffen mehrere Polizisten ein, laut Fatih flüchtete der Mann mit dem Baseballschläger. Sein Laden wurde bei dem Angriff teilweise zerstört: Eine Fensterscheibe ging zu Bruch, Obststände und Regale wurden beschädigt.

Sein Neffe musste im Krankenhaus behandelt werden, sagt Fatih, zum Beweis schickt er ein Foto des jungen Mannes, auf dem eine blutende Kopfwunde zu sehen ist. Das Bild liegt der Redaktion vor. "Warum lässt die Polizei die durch die Südstadt laufen, wo es so viele türkische Läden gibt?", kritisiert er die Demo-Route.

Ein Passant, der an der Haltestelle Hummelsteiner Weg auf die Straßenbahn wartete, schildert den Vorfall etwas anders. Die Aggressionen seien von den Mitarbeitern des Gemüseladens ausgegangen. "Ich habe Beschimpfungen gehört, es wurde gespuckt", schildert Harald A. den Beginn der Auseinandersetzung. Dann hätten sich Demonstranten aus dem Zug gelöst und seien auf den Laden zugelaufen, es habe ein Handgemenge gegeben. Der volle Name des Augenzeugen liegt der Redaktion vor - da der Mann in der Nähe wohnt, möchte er seinen Namen aber ungern veröffentlicht sehen. Eine Anwohnerin in der nahe der Wölckernstraße gelegenen Bulmannstraße berichtete gegenüber nordbayern.de ebenfalls von Provokationen von Menschen am Rande des Aufzugs. Nachdem der Artikel veröffentlicht wurde, meldeten sich erneut mehrere Demo-Teilnehmer, die von Beleidigungen türkischer Passanten berichteten. Vor allem vor dem Café Mohr in der Innenstadt und in der Landgraben- und Wölckernstraße sei es zu Zusammenstößen gekommen. Baseballschläger will dabei niemand gesehen haben.

Mehrere Zwischenfälle am Rande der Demo

Die Polizei bestätigte am Abend den Angriff auf den Gemüseladen, der genaue Hergang sei noch Gegenstand der Ermittlungen. In einer Pressemitteilung schreibt die Polizei von mehreren Versammlungsteilnehmern, die aus dem Aufzug heraus auf das Geschäft zugestürmt seien. Ein Ladenbesucher wurde demnach mit einem Stock geschlagen und habe eine Platzwunde davongetragen. Nach "wenigen Minuten gegenseitiger verbaler Provokationen" und dem Eingreifen mehrerer Beamter, die eine Polizeikette zwischen den Parteien bildeten, habe sich der Demonstrationszug wieder in Bewegung gesetzt. Die Route durch die Südstadt sieht die Polizei nicht als problematisch an. "Es gibt in ganz Nürnberg türkische Einrichtungen", heißt es aus der Pressestelle der Polizei Mittelfranken. Dass auch kurdische Gruppen an der Demonstration teilnehmen, sei von Anfang an klar gewesen.

Darüber hinaus kam es am Rande der Proteste zu zwei weiteren Zwischenfällen. An der Ecke Färberstraße/Karolinenstraße gerieten ein Passant und ein Versammlungsteilnehmer aneinander, nachdem ersterer den Demonstranten beleidigt hatte. Außerdem wurden Steine auf Einsatzkräfte geworfen, ein Polizist wurde dabei an der Hand verletzt.

Am Sonntagnachmittag demonstrierten Kurden erneut vor dem Nürnberger Hauptbahnhof. Laut Polizei versammelten sich 200 Menschen, die diesmal friedlich blieben.

Konflikt zwischen Kurden und Türken schwelt seit Jahren

Die vor wenigen Tagen gestartete Militäroffensive des türkischen Präsidenten Erdogan gegen die kurdische YPG-Miliz hat den seit langem schwelenden Konflikt zwischen Kurden und Türken weiter angefacht - die Stimmung entlud sich nun offenbar auch in der Nürnberger Südstadt. Die Demo selbst zog sich bis in die Abendstunden. Sie endete mit der Gyulaer Straße an dem Ort, an dem Abdurrahim Özüdogru 2001 vom NSU ermordet worden war.

Der Artikel wurde mehrmals aktualisiert, zuletzt am 13. Oktober um 18 Uhr.