Direkt und unkompliziert: Renate Schmidt wird 70
12.12.2013, 16:00 Uhr"Ich kam nach Hause, die Badezimmertür stand offen, meine Mutter hat im Waschbecken Wäsche gewaschen. ,Mutti, ich bekomme ein Baby‘, habe ich gesagt. Sie antwortete: ,Oh Gott!‘, und schlug die Hände vors Gesicht. Ich musste lachen, weil sie überall voller Schaum war." Renate Pokorny war 17 Jahre alt, als sie zum ersten Mal schwanger wurde. Das war 1961. Sie flog vom Fürther Gymnasium. Der Grund: Sie habe Schande über die Schule gebracht. Der Vater ihres Kindes hieß Gerhardt Schmidt (gestorben 1984) und wurde ihr erster Ehemann.
Die gebürtige Hanauerin wuchs mit traditionellen Rollenmustern auf. Karriere? Darüber hatte die junge Frau nie nachgedacht. Jemand musste Geld für die Familie verdienen. Also ließ sie ihren Mann studieren und nahm einen Job als Programmiererin bei Quelle an. Beruf, Haushalt, Kinder – irgendwann wollte sie nicht mehr mitspielen. "Mir ist aufgefallen, dass etwas nicht stimmt, als ich am Samstag mit dem Staubsauger durch die Wohnung gerannt bin und mein Mann gnädigerweise die Füße gehoben hat, als er zeitungslesend im Stuhl saß."
Nicht auf einmal, aber Schritt für Schritt änderte sie etwas und sich: erst Betriebsrätin, dann SPD-Mitglied, von 1980 bis 1994 Bundestagsabgeordnete, dort Vizepräsidentin (1990–1994), von 1994 bis 2000 Landtagsabgeordnete, dort SPD-Fraktionschefin (1994–2000) und bayerische SPD-Landesvorsitzende (1991–2000) sowie zweimal Spitzenkandidatin bei den Landtagswahlen 1994 (30 Prozent) und 1998 (28,7 Prozent).
Beckstein das Zittern gelehrt
Zu dieser Zeit war Renate Schmidt im Freistaat omnipräsent. Ihren Konkurrenten im Wahlkreis Nürnberg Nord, Günther Beckstein, lehrte sie – vielleicht nicht das Fürchten, aber doch das Zittern. Direkt, unkompliziert und volksnah: Renate Schmidt zog durch die Lande und kämpfte. Egal wohin Beckstein kam – Renate Schmidt war schon vor ihm da. "Er hat mir mal erzählt, er hat kein Goldenes Buch gefunden, in dem ich nicht schon stehe."
Danach hatte sie genug – erst einmal. Die Politikerin gab 2000 den Vorsitz der Bayern-SPD ab. Dachte sogar darüber nach, eine Kneipe zu eröffnen. Doch dann rief Gerhard Schröder an. Ob sie nicht Familienministerin werden wolle? Wenn nicht sie – Karrierefrau und "Familientier" (Renate Schmidt) –, wer dann? Wieder legte sie los. Mit "Mut, Hartnäckigkeit und Überzeugungskraft" habe sie dazu beigetragen, dass er, Gerhard Schröder, die gesellschaftspolitische Bedeutung der Familienpolitik richtig einzuschätzen lernte. Renate Schmidt: "Ich hab’ einfach eine leichte Dampfwalzenmentalität."
Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem zweiten Lebensjahr, Elterngeld, Ausbau der Kinderbetreuung: Die SPD-Frau beackerte den harten Boden, während ausgerechnet eine CDU-Frau – Ursula von der Leyen – die Pflänzchen großzog und erntete. "Ich habe Pflöcke gesetzt, an denen ist man schon im Koalitionsvertrag 2005 nicht mehr vorbeigekommen", sagte sie ein wenig trotzig. Denn als sie 2005 erfuhr, dass ihr Ministerium bei den Koalitionsverhandlungen der CDU zugeschlagen wurde, war sie "stinksauer".
Ihren Geburtstag wird sie in aller Ruhe mit ihrem zweiten Ehemann Hasso von Henninges genießen. Am Wochenende kommt die Familie, drei Kinder, ein Stiefsohn, vier Enkel, zwei Stiefenkel und dazu der Anhang, "also rund 40 Leute", sagt sie am Telefon auf dem Weg zur Reinigung und zur Sauna.
Zum Empfang der Landtagsfraktion eine Woche später in München hat sie sich Spenden für zwei gemeinnützige Organisationen gewünscht, die sie als Schirmherrin unterstützt. "Bitte keine Blumen, sonst sieht es bei mir daheim aus wie in einem Krematorium."
Erst Anfang dieses Jahres haben Volontäre unseres Verlags mehrere Interviews mit Renate Schmidt geführt.
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