Ein Nürnberger ist die eigentliche Hauptfigur im Film "Wackersdorf"
29.3.2021, 18:48 UhrDer heute 84-Jährige Bößenecker lebt in Nürnberg, war lange Jahre Vorstandsmitglied im Bund Naturschutz und tritt gerade öffentlich gegen den Ausbau des Frankenschnellwegs ein.
Herr Bößenecker, im Film "Wackersdorf" kann man gut nachverfolgen, wie nicht nur bei den Bürgern, sondern auch beim Landrat Zweifel über die von der Landesregierung unter Franz Josef Strauß vorgesehene Atomfabrik wuchsen. Hier sollten Brennstäbe aus allen deutschen Reaktoren aufbereitet werden. Hans Schuierer stand wegen der hohen Arbeitslosigkeit massiv unter Druck, da hätten die 3000 Arbeitsplätze, die die WAA versprach, gut getan. Waren Sie als Staatsbediensteter von Anfang an gegen das Projekt?
Claus Bößenecker: Nein. Ich habe mich nach und nach zu einem Gegner entwickelt. Vor allem, als ich gemerkt haben, dass die Befürworter mit aller Macht versuchten, das Übergewicht in der öffentlichen Meinung zu bekommen. Ich war mit Freunden zusammen, die an Naturschutz interessiert waren. Mein Hauptbeweggrund waren die Sorge um die Gesundheit der Bürger und den Schutz der Umwelt.
Sie wohnten damals ins Nabburg, wären von den Folgen also auch selbst betroffen gewesen.
Bößenecker: Es blieb die Frage offen, was mit Restbeständen aus der Anlage in Boden, Luft und Wasser wird. Die Menschen fürchteten radioaktive Strahlung. Es ging schließlich um einen Industriebetrieb mit nachteiligen Folgen für die Umwelt besonders schwerwiegender Art.
Der Film, der ja eine Mischung aus Spielfilm und Dokumentation ist, zeigt vor allem die Vorgeschichte, als der damalige Umweltminister Alfred Dick, gespielt von Siggi Zimmerschied, ans Landratsamt reiste und die Anlage pries. Als man merkte, dass Sie nicht hinter dem Bau stehen, wurden sie 1986 ans Landratsamt in Fürth strafversetzt.
Bößenecker: Ja, ich war seit 1973 am Landratsamt in Schwandorf. In Fürth übernahm ich dann verschiedene Abteilungen, auch den Bereich Umwelt. Was mir aber wichtig ist zu sagen: Der Protest gegen die WAA war immer eine Familiensache. Meine Frau war Schriftführerin bei der Bürgerinitiative und meine Söhne haben sich mit der Polizei im Wald geprügelt. Und ich habe den Widerstand vom Landratsamt aus geleistet.
Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl und nach dem Tod von Ministerpräsident Franz-Josef Strauß hat die Regierung auch die Pläne für die WAA kassiert. Hat letztlich das Unglück den Bau verhindert?
Bößenecker: Naja, das kann man schon so sagen. Aber das "Aus" wäre nicht gekommen, wenn wir vorher nicht so gedrückt hätten. Die Proteste waren ja massiv. Die Vertreter der Betreiberfirma erschienen zum Schluss gar nicht mehr am Bauzaun.
Sie haben sich erst vor einer Woche bei der Gruppe "Standhaft bleiben" im Bund Naturschutz Nürnberg gegen den kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellwegs ausgesprochen. Sehen Sie hier Parallelen im öffentlichen Protest gegen Großbauten?
Bößenecker: Nein, die sehe ich nicht. Die WAA war ein landes-, bundes- und sogar europaweites Problem. Bis heute gibt es in Deutschland noch kein Endlager für radioaktive Abfälle. In Nürnberg geht es um ein Stückchen Stadtautobahn. Das ist ein lokales Problem. Die Frage ist hier: Wollen wir die Straße durchgebaut haben?
Sie waren Vorstands-Mitglied im BN. Sie kennen also alle Planungsvarianten?
Bößenecker: Ja, aber ich habe mich dann aus Altersgründen zurückgezogen. Ich sehe, dass man in der derzeitigen Leitung nicht so eindeutig gegen den Bau ist.
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