Essen für einen Euro: Heute startet die Vesperkirche
12.1.2020, 05:39 UhrAndere Vesperkirchen hätten auf 1,50 Euro erhöht, sagt Reuther, man selbst sei dem bisherigen Preis treu geblieben. Auch die Philosophie, die hinter dem Sozialprojekt steht, hat sich freilich nicht verändert: Die Vesperkirche versteht sich nicht als Armenspeisung, sondern als Begegnungsort. Ob wirklich der Manager Seite an Seite mit dem Hartz-IV-Empfänger sein Schnitzel verspeist, könne er nicht sagen, berichtet Reuther. "Aber es sitzen auf jeden Fall Menschen gemeinsam an einem Tisch, die sonst nicht zusammen an einem Tisch sitzen würden." Deswegen sorge die Vesperkirche für eine "Erweiterung der Weltwahrnehmung".
Der Pfarrer geht davon aus, dass pro Tag wieder 500 bis 520 Essen verkauft werden, die 44 Tische und 264 Stühle stehen schon. Über 400 Mitarbeiter engagieren sich laut Reuther ehrenamtlich; wenn man die Zusatzangebote hinzunimmt, seien es über 500. Neben den Mahlzeiten bietet die Vesperkirche ihren Besuchern nämlich wieder zahlreiche kostenlose Serviceleistungen, vom Haareschneiden bis zum Schafkopflernen.
Spanferkel-Krustenbraten zum Auftakt
Am Sonntag bestreitet Reuther den Eröffnungsgottesdienst ab 10 Uhr letztmals mit Regionalbischof Stefan Ark Nitsche, der Ende des Jahres in den Ruhestand geht. Die beiden Gottesmänner werden sich dabei wie in den Vorjahren in freier Rede die Bälle zuspielen. Thema soll ein Text aus dem Matthäus-Evangelium sein. "Wir loten aus, was Gerechtigkeit zwischen Himmel und Erde bedeutet", kündigt Reuther an.
Danach gibt es wahlweise einen Spanferkel-Krustenbraten oder geschmortes Gemüse mit Reis. Am Montag stehen Cevapcici und Linsensuppe auf der Speisekarte, am Dienstag Gemüsecurry oder eine Nudel-Gemüsepfanne nach Balkan-Art – an den Dienstagen werden heuer nämlich nur fleischlose Gerichte angeboten. Der vegetarische Dienstag ist eine der wenigen Neuerungen, ansonsten hält die Vesperkirche weitgehend an ihrem bewährten Konzept fest. Die Nürnberger Zeitung fungiert wieder als Medienpartner, täglich liegt die NZ in der Kirche aus. Auch "Menschen am Mittwoch", die Talkreihe unserer Zeitung, erlebt eine neue Auflage. Diesmal stellen sich die OB-Kandidaten Verena Osgyan (Grüne, 22. Januar), Thorsten Brehm (SPD, 29. Januar) und Marcus König (CSU, 5. Februar) den im Vorfeld von der NZ-Redaktion gesammelten Fragen der Vesperkirchenbesucher.
Drei Kultur-Workshops
Auch wenn man sich auf eingespielte Abläufe verlassen könne, "ist die Vesperkirche eine lernende Organisation", sagt Reuther. Nach fünf Jahren sei es deswegen an der Zeit, Bilanz zu ziehen und eine Vision für die Zukunft zu entwickeln. Deswegen soll es während der sechswöchigen Vesperkirchenzeit zum Beispiel drei Workshops geben, die sich mit Kultur, Struktur und Inhalt des Projekts beschäftigen. Die Ergebnisse, so Reuther, würden die Abteilungsleiter (als Abteilungen gelten zum Beispiel das Spülteam oder der Bereich Empfang/Kasse) auf einer Klausur im Mai besprechen.
Der Etat für das Projekt liegt bei 180.000 Euro, im Vorjahr habe man erstmals eine schwarze Null geschrieben, so Reuther. Am 23. Februar endet die Saison 2020. Für den Abschlussgottesdienst, verrät der Pfarrer, hat sich auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt.
Das Staatstheater ist Kulturpartner der Vesperkirche. Am Sonntag gibt es ab 17 Uhr ein Konzert. Vera Mohrs und Kostia Rapoport präsentieren "Kalenderlieder". Es handelt sich um elektronischen Märchenpop über Astronauten und Galaxien. Eintritt frei, Spenden erwünscht.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen