Experten wollen das Ensemble in der Südstadt erhalten
12.9.2014, 08:00 UhrSobald Irini Georgas (Name geändert) die Männer und Frauen sieht, die da durch „ihre“ Wohnanlage wandeln und die Häuser unter die Lupe nehmen, kennt die Endfünfzigerin kein Halten mehr. Sie geht auf die Gruppe zu und stellt sie sichtlich erregt zur Rede: „Wieso wollen Sie unsere Häuser abreißen? Warum dürfen wir nicht bleiben?“
Als sie Elmar Hönekopp aufklärt, dass sie Vertreter der Stadtbild Initiative Nürnberg sind, die sich für den Erhalt des Ensembles einsetzt, ist sie besänftigt, aber noch lange nicht fertig mit ihrer Ansprache: „Ich lebe 30 Jahre hier und will hier auch bleiben. Genauso wie meine Nachbarn“, sagt Irini Georgas. Zudem, so die Griechin, „sind das doch gute Häuser und das ,Kaputtmachen‘ kostet auch viel Geld!“
Für die Initiative sind es mehr als nur „gute Häuser“. Die Anlage sei ein „wichtiges Zeugnis des Reformwohnungsbaus“, sagt Hönekopp, und Teil einer Kette von Siedlungen wie Gartenstadt, Werderau, Rangierbahnhof, Loher Moos und Fliegersiedlung. „Durch einen Abriss ginge ein wichtiges Glied der Kette verloren“, so Barbara Kreis, Professorin für Architektur an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule.
Besserer Zustand
Wie ähnliche Siedlungen in München oder Erlangen gehöre die Anlage im GartenstadtKonzept längst unter Denkmalschutz gestellt und saniert. Dass die Bausubstanz dafür zu mangelhaft ist, mag Barbara Kreis nicht glauben: Schlackensteine beispielsweise seien nicht — wie von der wbg dargestellt — „minderwertiges“, sondern ein damals übliches und häufig verwendetes Baumaterial. So zum Beispiel auch in den historischen Häusern im Loher Moos, wo die Expertin selbst wohnt. Auch an der handwerklichen Ausführung kann sie keine Mängel erkennen.
Der sanierungsbedürftige Zustand der Häuser ist für Kreis und Hönekopp sogar fast ein Glücksfall: Im Gegensatz zu anderen historischen Wohnanlagen, „die in den 70er Jahren verschandelt wurden“, so die beiden, sei hier vieles noch im Original-Zustand. So etwa die Haus- und Wohnungstüren, denen Sebastian Gulden bescheinigt, dass sie hochwertiger seien als viele moderne Türen.
Kunsthistoriker Gulden weist auch zurück, dass die Anlage sich nicht ins Stadtbild einfüge. Die Bebauung auf der gegenüberliegenden Seite der Pillenreuther Straße orientiere sich deutlich sichtbar in Form und Höhe an der Anlage Schillingstraße. Selbst die Baulinie der denkmalgeschützten Villa an der Ecke Sperberstraße, so Gulden, halte sich strikt an die der Siedlung.
Doch aus Sicht der Initiative sprechen nicht nur die „hohe architektonische, historische und städtebauliche Bedeutung“ der Anlage für einen Erhalt. Auch die Belange der Mieter, die dort teils seit Jahrzehnten wohnen, sind ihnen wichtig. Denn nach einem Neubau, so Reinhard Hahn, Vize-Vorsitzender der Altstadtfreunde, werden sich die meisten nicht mehr leisten können, dort zu wohnen. „Es kommt zur Gentrifizierung des Areals.“
Dabei habe die von Bäumen gesäumte Siedlung mit ihren idyllischen Gartenparzellen heute ein durchaus intaktes soziales Gefüge, mit „vielen Langzeitmietern, die sich mit ihrer Anlage identifizieren“, weiß Barbara Kreis. Dass die einstigen Gemüsegärten verwildert und der Innenhof auf den ersten Blick chaotisch wirken, ficht sie nicht an. Auf eine der zahlreichen Wäscheleinen deutend sagt sie: „Das ist zum Beispiel eine der Nutzungen die die Erbauer damals im Sinn hatten.“
Neben historischem Wert hätte die Anlage auch viel Zukunftspotenzial, sind sich die Anwesenden einig. Auch „alternative Wohnformen“ wie Mehrgenerationenwohnen oder „Urban Gardening“Projekte mit Anwohnern seien vorstellbar, schwärmt Barbara Kreis.
Daher appelliert die Stadtbild Initiative Nürnberg auch an das soziale und historische Gewissen der wbg, das sie andernorts bereits unter Beweis gestellt habe: „Bei der Sanierung der Siedlung Ostendstraße hat die wbg jüngst gezeigt, dass sie ihre Tradition hochzuhalten weiß“, sagt Elmar Hönekopp.
Das Plädoyer der Initiative für einen Erhalt der Siedlung Schillingstraße ist aber nicht nur an die wbg gerichtet, stellt er klar: Auch die Stadträte und allen voran der Oberbürgermeister sollten in dieser Angelegenheit „nochmal in sich gehen“. Denn, einfach hinnehmen, so Hönekopp, werde man den Abriss nicht: „Wir bleiben auf jeden Fall am Ball!“
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