Mit kleinen Vulkanbewohnern
FAU entwickelt Corona-Schluckimpfung - Habeck fördert Projekt mit rund drei Millionen Euro
13.2.2023, 09:25 UhrDie Friedrich-Alexander-Universität forscht an einem Corona-Impfstoff, der nicht gespritzt, sondern geschluckt wird. Jetzt hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz angekündigt, das Projekt mit rund drei Millionen Euro zu fördern, teilt die FAU mit. Bis 2025 soll die schluckbare mRNA-Technologie entwickelt sein - Basis für die Forschung sind Mikroorganismen, die normalerweise in Vulkangebieten leben.
Die Mini-Vulkanbewohner können dabei helfen, die größte Hürde für eine Schluckimpfung mit mRNA zu überspringen: Bevor eine solche Vakzine im Darm ihre schützende Wirkung entfalten kann, muss sie zunächst den Magen passieren. Der ist allerdings ein regelrechtes Killer-Organ. „Der Magen ist nicht nur sehr sauer, sondern wimmelt auch vor Enzymen, die unsere Nahrung in ihre Bestandteile zerlegen“, erklärt Dagmar Fischer. Sie ist Inhaberin des FAU-Lehrstuhls für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie und leitet den zentralen Bereich Herstellung im Schluckimpf-Projekt „TEL-DrugDelivery“, in dem „TEL“ als Abkürzung für Tetraetherlipide steht. Außerdem sind die Unternehmen BianoGMP, IFB, Ionovation und CAM-D Technologies, sowie das außeruniversitäre Forschungsinstitut iba an dem Projekt beteiligt.
Tetraetherlipide sind Biomoleküle, die entscheidend für das Überleben von Mikroorganismen in unwirtlichen Vulkangebieten sind. Einige dieser Winzlinge müssen nicht nur sehr hohen Temperaturen trotzen, sondern auch extremen Säurebädern, die fast alle Biomoleküle zerstören. Zellwände von normalen Bakterien werden von diesen Säuren geknackt. Die „Archaeen“ hingegen überleben die ätzenden Säuren und sollten auch den Weg durch den Magen gut überstehen.
Der Impfstoff muss gut verpackt werden
Doch auch bei einer Impfung in den Oberarm-Muskel ist es nötig, den Impfstoff in Lipide zu verpacken – auch wenn sie kein Säurebad des Magens überstehen müssen. „Die aus dem Biomolekül ‚mRNA‘ bestehenden Impfstoffe sind sehr empfindlich, selbst ohne starke Säure werden sie bereits nach wenigen Minuten in ihre Bestandteile zerlegt“, erklärt der Koordinator des Gesamtprojektes Tobias Pöhlmann vom Unternehmen BianoGMP.
Aus diesem Grund wird die mRNA in Lipide verpackt, die nicht nur den Impfstoff stabilisieren, sondern ihn auch in die Zellen des Körpers einschleusen können. Dort wird dann ein bestimmtes Protein des Erregers nach der Bauanleitung der mRNA hergestellt. So lernt das Immunsystem Teile des Virus kennen und beginnt sie zu bekämpfen. Infiziert sich eine geimpfte Person später mit dem Covid-19-Erreger, erinnert sich das Immunsystem an die Impfung, beginnt die Infektion rasch zu bekämpfen und sorgt so normalerweise für einen glimpflichen Verlauf.
Die Schluckimpfung hat viele Vorteile
Im Vergleich zur Spritze bietet die Schluckimpfung erhebliche Vorteile, glaubt die FAU. Der Impfstoff kann in Kapseln verpackt oder zu Tabletten gepresst werden, die bei normalen Temperaturen aufbewahrt werden können. Die bisherigen Covid-19-Vakzine müssen dagegen tiefgekühlt transportiert werden, was schon in Deutschland einige Herausforderungen birgt, in vielen Ländern des globalen Südens und vor allem in abgelegenen Regionen aber kaum möglich ist. Außerdem können die Menschen das Medikament ganz einfach selbst ohne große Anleitung schlucken.
Covid-19-Impfung muss ungefährlich sein
Ist das schluckbare Medikament fertig, prüfen die Forscher noch, wie der Stoff tatsächlich im menschlichen Organismus reagiert. Im Labor werden dazu die Verhältnisse in der Mundhöhle, im Magen und im Darm simuliert. „Dort schauen wir nicht nur, wie stabil die mRNA dieses Milieu übersteht, sondern untersuchen auch, ob die Archaeosomen zum Beispiel die Zellen des Darms schädigen können“, erklärt Dagmar Fischer. Schließlich muss der Impfstoff auch sicher sein.
Am Ende des Projektes soll die Forschung ausgeweitet werden können. „So wollen wir eine Plattform entwickeln, die auch andere Impfstoffe als die Covid-19-Vakzine transportiert“, sagt Fischer. Schließlich sollen mRNA-Impfstoffe in Zukunft auch gegen andere gefährliche Infektionen und Tumore eingesetzt werden.