Freude für alle - Fall 13: Demenz und Vereinsamung setzen Nürnbergerin zu

Wolfgang Heilig-Achneck

Lokalredaktion

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28.11.2020, 10:21 Uhr
Ihre zahlreichen Erkrankungen haben Roswitha E. einsam gemacht (Symbolbild).

© Klaus-Dietmar Gabbert Ihre zahlreichen Erkrankungen haben Roswitha E. einsam gemacht (Symbolbild).

Diesen Geburtstag wird Roswitha E. (Name geändert) nicht vergessen: "Ich war beim Arzt und er eröffnete mir, ich müsse sofort für zwei Wochen in Quarantäne", erzählt sie. "Ich war voll eingespannt und hatte für so etwas keine Zeit. Aber er drohte mit dem Gesundheitsamt und der Polizei." So etwas gab es auch schon vor Corona. Denn die Nürnbergerin hatte sich damals mit Tuberkulose angesteckt.

Die Behandlung wirkte, dauerte aber Monate und plagte sie mit üblen Magenkrämpfen als Nebenwirkung. Als hätten ihr nicht schon genügend andere Krankheiten zugesetzt, von Schlaganfällen bis zu Tinnitus. Allein die Auflistung füllt zwei eng bedruckte Seiten. Aber was ihr am meisten zu schaffen macht, sind die unablässigen Schmerzen. "Ohne Opiate halte ich es gar nicht mehr aus", klagt sie.


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Und nun, noch vor dem Rentenalter, kommt da eine noch quälendere Frage hinzu: Wann wird sie den Geburtstag doch vergessen – und vieles andere mehr? Die tief sitzenden Erinnerungen, etwa an schwere Tage in Kinderheimen, werden wohl am ehesten bewahrt. "Jetzt aber passieren mir immer mehr komische Sachen", sagt sie, "zum Beispiel, dass plötzlich ein Tisch ganz woanders stand und ich nicht mehr wusste, ob und warum ich ihn verschoben hatte. Oder dass Besuch im Zimmer stand und ich das Gesicht nicht wiedererkannte". Und brandgefährlich, ganz nach bekanntem Muster, wurde es auch schon, als sie vergaß, ihren Herd auszuschalten. Es fehlte nicht viel und die Küche wäre in Flammen gestanden. Seither wärmt sie Speisen nur noch in einer Mikrowelle.

"Wie in einem Tunnel"

Es sind, bescheinigten ihr die Mediziner, erste Anzeichen von Demenz. "Ich hatte doch immer ein Elefantengedächtnis", gibt sie zu bedenken – was ahnen lässt, wie bedrückend die Diagnose ist. Zwar sollen Medikamente das Fortschreiten möglichst bremsen oder stoppen, aber allein die Aussicht ist schwer zu verkraften. Erst recht, weil die alleinstehende Frau mit wachsender Vereinsamung zu kämpfen hat. Sie steht ohne Verwandte da, vielen ihr früheren Freunde fehlt offenkundig Kraft, Lust und Interesse, den Kontakt trotz der permanenten Krankheitsbelastungen weiter zu pflegen. Allein eine Nachbarin und ihr Haustier sorgen für ein wenig Geselligkeit. Und dass morgens und abends ein ambulanter Pflegedienst vorbeischaut, sorgt auch nur punktuell für Abwechslung. "Ich fühle mich wie in einem Tunnel", meint sie, "in dem es links und rechts keine Notausgänge gibt".


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Da halten auch Schachteln mit vielen Fotos wenig Trost bereit. Roswitha E. kramt Bilder aus besseren Tagen hervor: Die gelernte Hauswirtschafterin hatte in verschiedensten Bereichen gearbeitet, in zwei Nürnberger Kliniken, in Kindertagesstätten und lange im Ausland. In Ländern wie Italien, Frankreich und Spanien organisierte sie auf Campingplätzen Freizeitangebote für Urlauber. "Es war die schönste Zeit meines Lebens", sagt sie voller Wehmut. "Und am Meer hatte ich auch keine Lungenprobleme." Doch den Plan, ganz in den Süden überzusiedeln, machten ihre Krankheiten zunichte. Weil das schon viele Jahre so geht, fällt ihre Erwerbsunfähigkeit so schmal, dass sie auch auf Grundsicherung angewiesen ist. Und doch will sie sich nicht mit Hinweisen von Sozialamtsmitarbeitern abspeisen lassen, die ihr schon mal zu Billig-Tütensuppen von Discountern raten.

Mit ihrem Schicksal steht Roswitha E. nicht allein da, ihr Beispiel dient auch der Weihnachtsaktion, auf die Situation von Demenzkranken und zunehmend vereinsamten Mitbürgern aufmerksam zu machen und um Hilfe zu bitten.

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